Nachdem ich heut Nacht mal ein wenig Zeit gefunden habe musste ich bemerken, dass ich eine extrem interessante Diskussion bisher völlig missachtet habe
Prinzipiell habe ich ein Problem damit, dass die "offene Beziehung" hier von SweetPain und Paul als "Blick über den Tellerrand" dargestellt wird, als wäre es fortgeschrittener, eine solche Art der Beziehung in Betracht zu ziehen. Die "offene Beziehung" ist eine Alternative zu einer monogamen Beziehung. Nicht mehr und nicht weniger. Sie bietet sich für Menschen an, denen es ist wichtig ist, auch mit anderen Menschen außerhalb der Beziehung Sex zu haben und das auch dem Partner zugestehen. Wenn sie dafür einen passen Partner finden ist das voll okay.
Die Realität sieht aber doch so aus: Die meisten Menschen, die dieses Bedürfnis in sich verspüren und dem nachgehen, verheimlichen das ihrem Partner. Sie gehen fremd und tun alles dafür nicht aufzufliegen. Oder sie sagen dies offen und tun es, obwohl sie wissen, dass ihr Partner damit nicht einverstanden ist - wie bei Paul. Nun, hier ist die Freundin aber auch ein Stück weit selber Schuld, da sie das mit sich machen lässt. Aber gut, das ist eine andere Geschichte. In den meisten Fällen fehlt es diesen Menschen einfach an Ehrlichkeit - gegenüber sich selbst und ihrem Partner. Der Idealfall, dass das im gegenseitigen Einvernehmen stattfindet, hat doch nur Seltenheitswert.
Wenn ich in einer Beziehung bin, kommt es auch mal vor, dass ich eine andere Frau sexuell sehr reizvoll finde. Ist doch klar. In dem Moment wünsche ich mir vielleicht sogar, mit ihr schlafen zu können. Aber ich lass es sein. Warum? Weil ich von meiner Freundin Treue erwarte und das selber auch sein möchte. Ich habe mich aktiv für eine Beziehung entschieden. Diese Beziehung möchte ich behalten. Sie ist mir wichtiger als der Sex mit anderen Frauen. Weil ich nicht nur den Körper, sondern auch die Persönlichkeit meiner Partnerin schätze. Diese möchte ich nicht verletzen. Auf der anderen Seite würde ich morgens nicht mehr in den Spiegel schauen können, wenn ich sie betrügen würde. Nicht nur weil ich sie damit verletzt hätte - nein, ich hätte gegen meine eigenen Ideale verstoßen. Das alles hat nichts damit zu tun, dass ich sie besitzen will oder neidisch/eifersüchtig bin. Ich gebe meiner Freundin alle Freiheiten, die sie braucht, vorausgesetzt, sie verstoßen nicht gegen meine Regeln. Fremdgehen wäre so ein Regelbruch. Es gibt nunmal Menschen, die den Treuebegriff auch auf das sexuelle beziehen. Dazu gehöre ich auch. Es ist nicht veraltet, konserativ oder "falsch", nur weil man ein anderes Verständnis von Treue hat, als diejenigen, die eine offene Beziehung führen. Diese Menschen haben ja auch ein anderes Verständnis von Beziehung als ich.
Der große Teil der Gesellschaft möchte eine Beziehung, in der der eigene Partner treu und man es selber auch ist. Der Anteil an Menschen, die eine offene Beziehung bevorzugen, ist demzufolge kleiner. Natürlich gibt es auch hier eine Dunkelziffer, aber dennoch: Die Mehrheit unserer Gesellschaft möchte eine monogame Beziehung. Die Werte unserer Gesellschaft besagen, dass sexuelle Treue und Ehrlichkeit wichtige Eigenschaften sind. Fremdgehen ist verpöhnt. Offene Beziehungen nicht unbedingt.
SweetPain und Paul stellen sich gegen den gesellschaftlichen Wert der "sexuellen Treue". Sie sagen, dass sexuelle Treue nicht unbedingt selbstverständlich sein muss. Um ihre Meinung zu untermauern, stellt SweetPain einen sehr fragwürdige "wissenschaftliche Ausarbeitung" hier ins Forum, von der nichtmal bekannt ist, wer sie verfasst hat. Rein theoretisch hätte ich dieses Schreiben gestern anfertigen und ins Netz stellen können - um es hier heute wieder als Quote lesen zu können

Wir sind alles keine studierten Biologen, Psychologen oder Soziologen (zumindestens nicht die Protagonisten der Diskussion). All diejenigen, die ihre Meinung auf vermeidlich wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, begeben sich auf verdammt dünnes Eis, denn im Endeffekt sind die Behauptungen einiger User hier nichts weiter als "Küchenpsychologie/biologie". Ich wehre mich auch dagegen, dass hier behauptet wird, dass nur Paul/SweetPain etwas zur Diskussion beigetragen hätten. Zu einer realen Thematik wie Beziehungsformen braucht man keinen Dr. in Soziologie um zum Thema etwas beizutragen. Deswegen wehre ich mich auch gegen eine verwissenschaftlichung des Themas.
Des Weiteren kann ich mir kaum vorstellen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse oder die Umstände in anderen Kulturkreisen die Meinung der "OffenenBeziehungen-Befürworter" maßgeblich geprägt hat. Ich vermute eher, dass es darum geht, das eigene Verhalten zu legitimieren, indem man vermeidliche wissenschaftliche Erkenntnisse heranzieht, die das abweichende Verhalten zur gesellschaftlichen Norm erklären sollen. Viel ehrlicher wäre es doch, zu sagen, dass es einem wichtiger ist, mit mehreren Menschen gleichzeitig zu schlafen als monogam zu leben. Dafür braucht man keine wissenschaftliche Erklärung. Und das ist auch voll okay so - solange der eigene Partner dem zustimmt.
Ich persönlich beschäftige mich sehr viel mit dem Thema Liebe, Selbstbewusstsein, Eifersucht, Treue usw. - bin dazu in diversen Foren aktiv und lese Bücher. Ich denke auch, dass Hintergrundwissen hilft. Ich würde aber nie hergehen und sagen, dass Offene Beziehung die ultimative Lösung für alles ist - und dass all diejenigen, die eine konserativ-monogame Beziehung führen, von Neid, Eifersucht und Besitzansprüchen zerfressen sind. Jeder Mensch muss seine eigenen Weg finden. Manche finden den in einer offenen Beziehung, anderer in einer monogamen. Andere sind lieber ihr Leben lang solo. Keine Beziehung ist besser oder richtiger als die andere. Es geht nur darum, ob beide Partner glücklich damit sind.
Kleine Anmerkung zum Schluss:
@ SweetPain: Catalu geht sehr wohl sachlich an die Diskussion heran

Deine gesamte Art hat nicht dazu beigetragen, dass sich die Diskussion gut entwickelt. Es ist nicht sachlich, wenn man einen anderen User Dinge unterstellt, die sich aus ihren Beiträgen nicht ableiten lassen.