von Dramen die nur fast welche waren

Dabei
12 Jun 2008
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#1
Ein leeres Blatt, eine leere Seite. Was für ein dramatischer Anfang.

Im Grunde geht es mir gut, sehr gut sogar. Ich habe nichts zu beklagen deshalb frage ich mich selbst warum ich hier etwas schreiben will?
Ich denke ich muss weil es mir vor einem halben Jahr nicht gut ging. Gar nicht gut. Mein letztes Jahr war voller Leben und das sowohl im guten als auch schlechten Sinn.
Und vielleicht ist es einfach so gewesen, dass ich zu viele Dinge nicht gesagt habe, die zu den schlechten gehört haben.

Den Anfang hat unser größter Feind gemacht. Gevatter Tod. Vor ungefähr einem Jahr ist die Mutter eines guten Freundes gestorben - Suizid. Sie war nicht meine Mutter und trotzdem ist es für mich immer noch oft sehr schlimm, oft weil es mir wehtut aber ich es mir nicht ganz vorstellen kann. Das kann wohl niemand, der es nicht erlebt hat. Die Frau die dir Essen gemacht hat, dir Laufen und Sprechen beigebracht hat und immer für dich da sein wollte ist gestorben - für dich.
"Es war ein letzter Beweis ihrer Liebe an euch" Das war der Satz den ich mir eingeprägt habe auf der Beerdigung, den Rest habe ich nicht gehört. Ich musste Messe dienen und habe mich gezwungen nicht zu weinen - ich hatte eine Aufgabe zu erfüllen und musste mich konzentrieren. So viele Leute in Schwarz. Eine ganze Wand aus Schwarz. Daran erinnere ich mich und an diese oben erwähnten Worte und es war so kalt so verflucht kalt aber ich konnte meine Hände nicht bewegen wegen dem Holzkreuz in meiner Hand.

In der Zeit danach habe ich mich oft gefragt ob meine Trauer Berechtigung hat. Habe ich das Recht um einen Menschen zu weinen den ich nur zufällig kenne? Habe ich das Recht Hilfe für so eine Trauer zu erhalten?
Ich bin nur der Angehörige eines Angehörigen und muss nicht jeden Tag mit diesem Schmerz leben. Manchmal würde ich es gern denn dann wäre alles was ich sage berechtigt.
Aber das ist Unsinn.

Ich sollte mich zwingen, weiter zu schreiben, denn sonst verführt mich doch noch das rote Kreuz am Fenster.
Im Frühjahr des letzten Jahres erlitt mein Vater einen Herzinfarkt. Mein Vater ist eine unglaublich wichtige Person in meinem Leben, ein Mensch zu dem ich aufblicke und der meine allergrößte Bewunderung hat. Als ich das gehört habe dachte ich er ist tot. Mausetot. Tot. Tot.
Aber mein Vater lebt auch heute noch, er hatte Glück im Unglück. Eine gute Behandlung unter sehr guten Ärzten.
Habt ihr je euren Vater weinen sehen? Habt ihr euren Vater je schwach gesehen? Ich habe beides gesehen und es ist ein Anblick den ich mir gern erspart hätte.
Ein Schlauch hat in seinem Hals gesteckt nach der Op und überall war orangefarbene Farbe, Kabel, Maschienen, mein Gott dieses ausgelaugte Gesicht seine Stimme nicht mehr als ein Wispern.
Seine Stärke war weit weit weg.
Als ich umgekippt bin hat meine Mutter gesagt es liegt sicher an der Hitze an diesem so sommerlichen Tag. Ja es lag an der Hitze, Mama, schließlich hast du mir gesagt dass mein Papa schlimm aussieht.
Was könnte ich ihr vorwerfen?
Was könnte ich irgendwem vorwerfen?

Wieder diese Wut in mir.
Ich weine ohne Grund denn wie könnte ich je behaupten dass meine Trauer berechtigt ist wenn es so viele andere Menschen gibt, die wahre Probleme haben. Probleme die sich benennen lassen. Alles was ich erzählen kann sind Geschichten von Dramen die nur fast welche waren.
Danke, Flüsterstimme dass du mich daran erinnerst.
Meine Flüsterstimme. Der Teil in mir der mich daran erinnert dass ich nicht jammern sollte sondern zur Hilfe eilen sollte. So ists richtig.
Was wäre ich ohne diesen Teil in mir? Eine nur halb so gute Freundin. Und das ist es doch worauf es ankommt, ganz gleich wie überzeugt wir von der Gleichberechtigung aller in einer Beziehung sind. Die beste Freundin ist die, die keine eigenen Probleme hat. Das musste ich immer wieder feststellen.
Ich bin gern eine beste Freundin. Es erfüllt mich wirklich mit Stolz.
Nur manchmal ist es anstrengend, Tränen zu schlucken weil sie keinen Grund haben.

Das ist nur das Gerede einer weiteren 16-Jährigen, die von ihren Hormonen verarscht wurde. Hey, nehmt es nicht so ernst, in ein paar Jahren werde ich diese Probleme vergessen haben, ist es nicht immer so?
Ihr kennt den Film der euch vorgespielt wird.
 
Dabei
26 Feb 2009
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#2
Mal ganz unter uns beiden, ich kenne deine Situation sehr gut...
Der Grund,.. du beschreibst deine Gefühle so detailiert, so intensiv und von Text her sehr sehr viel,..Anzeichen für mich, dass du dich mitteilen willst und zeigen willst wie schlecht es dir geht.

Die Frage die ich mir im ersten Moment gestellt habe ist,
"Vergleichst du, oder hast du es mal versucht dein Leben mit anderen Menschen zu vergleichen?..."
Es gibt so viele Menschen die sowas durchmachen, du bist nicht alleine !

Ich habe meinen leiblichen Vater verlohren,.. er ist wegen Drogen (Alkohol) gestorben, lag im Krankenhaus und hatte nurnoch 3-4 Jahre zu leben. Das war die krasseste Zeit die ich durchmachen musste. Heute sage ich mir, auf der einen Seite fehlt mir jemand..darüber möchte ich auch nicht streiten - geht dir genau so und die Angst DEINEN Vater zu verlieren kommt dazu... Auf der anderen Seite muss man sich klar machen,.. der Tod gehört zum Leben dazu, das Leid gehört zum Leben dazu, der Schmerz gehört zum Leben dazu !!!

Alles zusammen sagt mir, man muss kämpfen um zu überleben !
Man muss sich immer irgendwo festhalten, -
auch wenn es unmöglich scheint ...

Ich würde dir ans Herz legen, mal mit anderen Menschen über deine Probleme zu sprechen auch wenn es dir schwer fällt. Es hilft dir !
Du erfährst den Grund warum es dir so geht und dieser festigt sich durch Gespräche ! Helf dir selber und bitte bitte denk positiv.

Du wirst sehen der ganze Berg voll schmerzen der auf deinen Schultern sitzt... er wird immer größer.. irgendwann wirst du immer schwächer und hast kaum mehr kraft in deinen Beinen um aufzustehen ! Dazu kommt das du irgendwann keine klare Sicht mehr hast, um Freude zu erfahren.. Der Berg voller Schmerzen hängt dir vor deinen Augen und du siehst nurnoch Trauer ... Versuch dir zu helfen ! Ich geb dir alle Kraft der Welt :)
 
Dabei
6 Apr 2008
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966
#3
Habt ihr je euren Vater weinen sehen? Habt ihr euren Vater je schwach gesehen? Ich habe beides gesehen und es ist ein Anblick den ich mir gern erspart hätte.
Ja, habe ich, ich habe meinen Vater weinen sehen. Als seine Mutter und sein Vater starben. Und ich kann Dir eines sagen, ich will diesen Anblick nicht missen, auch wenn ich meine Großeltern sehr geliebt habe und meinem Vater den Schmerz gerne erspart hätte, so muss ich doch sagen, dass der Anblick meines weinenden Vaters für mich sehr wertvoll ist.
Zeit meines Lebens war mein Vater für mich da und ist es heute noch. Er ist ein Hühne, stark, fürsorglich, er arbeitet hart, nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Das alles tut er für mich. Als ich ihn weinen sah wurde aus dem Halbgott der er seit meiner frühesten Kindheit für mich war auf einmal ein Mensch. Ein verletzlicher Mensch, ein Mensch mit Schwächen. Eben diese Schwächen zu sehen macht seine Fürsorge, die harte Arbeit, die Liebe die er mir gibt noch wertvoller. Halbgötter machen soetwas mit Links, Menschen müssen für all das viele Opfer bringen, es ist fast unglaublich, dass er das was er alles für mich tut als einfacher Mensch auf die Beine stellen kann, er ist kein Gott, er ist ein Mensch wie ich und schafft trotzdem so vieles mehr. Seine Schwächen lassen mich noch ein Stück weiter zu ihm aufschauen und wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann möchte ich genauso werden wie er.

Und genau wie unsere Väter für uns, so bist Du in all Deiner Trauer, die Du zurecht empfindest eine noch bessere Freundin, wenn die Menschen um Dich herum erkennen, dass auch Du Schwächen hast und trotzdem immer für sie stark bist, immer an ihrer Seite bist wenn sie Dich brauchen.
 

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