Kontakt zu Eltern abbrechen- Reue?

Dabei
11 Aug 2015
Beiträge
95
#1
Hallo,
wie schon in einem anderen Thread geschildert bin ich gerade dabei viele meiner Kontakte zu überdenken und entsprechend zu sortieren.
Da es hier aber um meine Eltern, konkret meinen Vater geht, möchte ich einen neuen Thread aufmachen.

Unser Verhältnis:
Das Verhältnis mit meinem Vater beschränkt sich nur auf das Wesentlichste. Ich (Mitte 20) wohne vorrübergehend wieder bei ihm (Eltern sind geschieden, Mutter wohnt weiter weg) und es ist wie eh und je, eine Zweck-WG. Jeder wäscht seine eigene Wäsche, kocht sein eigenes Essen und kauft für sich ein.

So war das schon seit ich denken kann. Mein Vater hat viel und lange gearbeitet, habe ihn maximal ne Stunde abends gesehen. Dazu kommt, dass er sich nicht für das Leben seiner Kinder interessieren WILL. Um ihn zu zitieren "ich will mich nicht für deine Hobbies interessieren". Fairerweise muss ich sagen, dass es in einem Streit entstanden ist als es um mein Hobby "Autos" ging. Wollte mir etwas Geld leihen weil ich die Versicherung nicht stemmen konnte (Kompaktwagen, keine Limonsine oder Mittelklassewagen).
Ich kann mich daran erinnern, dass wir an meinem 5. Geburtstag auf dem Kickplatz waren. Als ich später in mehrere Vereine gegangen bin, hat er mich nie zu einem Spiel begleitet oder der gleichen. Auf den Elternabenden war er nicht, er kennt nicht meine Noten, nicht mein Studienabschluss.

Als ich Anfang 20 war habe wir uns mal für 3 Stunden unterhalten indem ich ihn ziemlich scharf kritisiert habe und eben jene Dinge angesprochen habe, vor allem das fehlende Interesse für mich. Damals hat er es sogar eingesehen, sich beschämt gezeigt und die nächsten Wochen hat er spürbar versucht mehr Interesse zu zeigen. Das ganze hielt halt nur wenige Woche an.

In den vergangenen Monten und Jahren hat sich einiges getan. Er ist in Rente gegangen, hat eine neue Freundin, hat viel Zeit für sich dazu gewonnen, da er davor echt weit über 50 h / Woche gearbeitet hat. Ich dachte, das könnte eine Chance für uns sein.
Also habe ich, in Absprache mit meinem Psychotherapeut, vermehrt versucht auf ihn einzugehen, mit ihm zu reden und zeitgleich aber auch versucht in mein Leben einzubeziehen.

Mein Leben ist alles andere als langweilig. Ich mache viel Sport, schraube an Fahrrad und Auto (wir sind beide Techniker), gehe auf Festivals und teile auch teilweise seine Hobbies wie Segelflug. Leider zeigt er an meinen Hobbies kein Interesse und verlässt sogar wortlos den Raum wenn ich darüber anfange zu erzählen.
Wenn geredet wird, dann über seine Hobbies, seine letzten Ausflüge oder wie es gerade um den Gesundheitszustand seiner neuen Freundin steht.
Wenn ich ihm erzähle, dass ich gleich an die Uni fahre für die Prüfung, dann wünscht er mir zwar viel Erfolg aber Rückfragen wie die Prüfung lief oder ausgefallen ist bleiben aus (mache einen Master gerade).

Ich dachte immer, er kann einfach nicht anders und ist halt so. Bis zu dem Zeitpunkt als ich meine Abschlussarbeit für meinen Bachelor geschrieben habe. Für die Bachelorarbeit bin ich umgezogen, da ich die Arbeit im Unternehmen geschrieben habe. Ich wurde zu der Zeit 2x operiert aufgrund einer Lähmung die ich kurz vor Beginn der Abschlussarbeit erlitten habe. Habe aber trotzdem alles durchgezogen. Zu dem Zeitpunkt war er mit seiner Freundin und Freunden in meiner Nähe Urlaub machen. Habe ihn gebeten mir meine Narbenpflegesalbe mitzubringen, was er auch gemacht hat. Bin dann zu dem Urlaubsort gefahren um die Salbe abzuholen. Als ich ankam bin ich noch für einen Kaffee geblieben. Was sich dann abgespielt hat, hat für mich vieles geändert.
Er hat sich nicht über den Status meiner Abschlussarbeit erkundigt, hat sich nicht erkundigt wie die Operationswunde heilt und hat auch nicht gefragt wie mit dem Schreiben zurecht komme (wurde an der Schulter operiert und konnte 3 Wochen lang nicht gut den Arm bewegen).
Zeitgleich hat er sich aber bei seinen Freunden über irgendwelche Dinge erkundigt, weiß nichtmehr genau was, aber er hat bei denen halt Interesse gezeigt und bei mir nicht, obwohl ich in der schwersten Phase meines Lebens gesteckt habe. Da wurde ich sehr traurig, da ich gesehen habe, dass er durchaus für andere Menschen Interesse zeigen kann, bei mir es aber nicht tut.
Zu meinem Studienabschluss (Schnitt im 1er Bereich) meinte er zu meiner Mutter, dass er nie gedacht hat, dass ich es schaffe (hat mir meine Mutter später erzählt).

All das hat natürlich seine Spuren hinterlassen, die Kombination aus Desinteresse und Niedermachen meiner Leistungen trotz Depression und mehreren Operationen. Wenn meine Oma (seine Mutter) mir dann noch erzählt, dass ich doch mal für ihn einkaufen und kochen soll, weil er ja soviel beschäftigt ist, dann platzt mir der Kragen.

Auf der anderen Seite hat er natürlich auch gutes Getan. Er hat mich im Studium wahnsinnig finanziell unterstützt, sodass ich mit Nebenjob das Studium schnell fertig machen konnte. Auch heute kann ich jederzeit bei ihm mietfrei wohnen, was eine unglaubliche Sicherheit ist. Ich muss keine Angst haben kein Dach mehr auf dem Kopf zu haben und auch habe ich immer genug zu essen. Luxusartikel wie Urlaub oder Auto hat er nicht finanziert, aber für Bildung und Essen war immer genug da.
Auch hat er uns (sind 2 Kinder) eine hohe Allgemeinbildung beigebracht, denn wenn wir uns mal unterhalten, dann sind das eben meist wissenschaftliche oder technische Themen.

Allerdings möchte ich trotzdem den Kontakt abbrechen bzw. im Sande verlaufen lassen wenn ich demnächst wieder ausziehe, da mir der Kontakt einfach nicht gut tut. Ich möchte keinen engen Kontakt mehr zu Menschen die sich nicht für mich interessieren. Und das auch nicht mal wenns mir wirklich schlecht geht mit meiner Gesundheit.
Wenn ich mit den Eltern meiner Freundin rede breche ich manchmal fast in Tränen aus weil die mich einfach mal aus dem nichts fragen wie es mir geht oder ob die Lähmung komplett weg ist etc. etc. Einfach normale Nachfragen nach meinem Leben oder Befinden.

Ich fühle mich aber jetzt schon schuldig bei dem Gedanken den Kontakt abzubrechen. Der Mann hat mir vieles ermöglicht, vor allem eine gute Bildung und eben immer genug zu essen.
Ich habe Angst vor dem Tag an dem erst von dieser Welt geht und ich mir dann denke "mein Gott, hätte ich doch bloß mehr Kontakt zu ihm gehabt."
Aber nüchtern betrachtet hatte ich halt nichts anderes von ihm außer Geld. Er ist viel arbeiten gegangen, hat sich nicht für uns interessiert, unsere Leistungen nieder gemacht, aber es gab immer genug Geld. Aber es beschränkt sich halt auf Geld.

Hintergrund dieses Posts ist eigentlich das ich die Legitimierung meines Vorhabens von anderen Menschen brauche, das es okay ist wenn ich mit ihm nichtsmehr zu tun haben will. Aber ich fühle mich halt schuldig ggü. ihm, was das ganze schwer macht. Und habe eben Angst, dass ich den Kontaktabbruch nach seinem Tod bereue.

Aufjedenfall ziehe ich aus dem Ganzen gute Lehren für die Erziehung meiner Kinder, falls es mal soweit kommen wird. Ich werde diese für meine Hobbies, Weltansichten etc. begeistern und diese näher bringen wollen. Wenn meine Kinder habe andere Hobbies entwickeln werde ich da Interesse zeigen, sie in dem was sie lieben unterstützen und vor allem angemessen loben für die Leistungen die sie erbringen.
 
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Dabei
16 Aug 2009
Beiträge
45
#2
Hey

Was für eine denkwürdige Situation.

Du wirst hier keine Antwort auf Deine Frage bekommen, höchstens, wie es andere Menschen die Du njhht kennst handhaben wuerden.

Liest du hier noch?

Lieben Gruß
 
Dabei
6 Mrz 2013
Beiträge
7.511
#3
Mist, jetzt wollte ich dir was dazu schreiben, und nun habe ich gesehen, dass der Thread schon so alt ist. Aber wenn du magst, schreib ich dir das noch - gib einfach kurz Bescheid.
 
Dabei
3 Jan 2019
Beiträge
1.406
Alter
60
#4
Mist, jetzt wollte ich dir was dazu schreiben, und nun habe ich gesehen, dass der Thread schon so alt ist. Aber wenn du magst, schreib ich dir das noch - gib einfach kurz Bescheid.
Och, was Du geschrieben hättest würde zumindest mich interessieren. Also schlüpf' ich mal in die "Ambi valente" Rolle und gebe "Bescheid". :)
 
Dabei
16 Mai 2022
Beiträge
10
#5
Also falls du es liest, akzeptiere ihn, wie er ist, wenn er mal tot ist und du den kontakt vorher abgebrochen hast, wirst du es bereuen. Du musst ja nicht jeden Tag mit ihm nette Worte tauschen, aber es ist einfach so, dass man nur ein paar Eltern hat (im Normalfall)
 
Dabei
6 Mrz 2013
Beiträge
7.511
#6
OK. Ich kenne so eine Situation. Ich wäre da eiskalt: Ich würde ihn nicht kontaktieren um ihm irgendwas über mich zu erzählen, was ihn eh nicht interessiert. Aber wenn ich was von ihm bräuchte - der TE schreibt ja, dass er da zB wohnen könnte, wenn er temporär ein Dach über dem Kopf braucht, dass er ihm Dinge finanziert, usw - würde ich mir das von ihm holen. Ist dann halt eine rein funktionale Beziehung und keine emotionale.
 
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