Hilflosigkeit wegen meinem Freund

Dabei
17 Aug 2007
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#1
Hallo,

ich bin seit einem Jahr mit meinem Freund zusammen, und er ist auch der Grund, warum ich hier schreibe.
In unserer Beziehung läuft vieles schief, und das bereits seit Monaten. Hinzu kommt die schlechte psychische Verfassung meines Freundes (wobei das eine mit dem anderen zu tun hat). Er ist depressiv, hat extreme Schuldgefühle und Minderwertigkeitskomplexe. Er hat in unserer Beziehung Fehler gemacht, die er sich einfach nicht verzeihen kann.
Vor einigen Tagen hat er mir "gestanden", dass er jeden Abend alleine in seinem Zimmer sitzt und sich mit einem Messer den Arm aufkratzt. Ich habe davon nichts gemerkt, denn er macht es so, dass er zwar in dem Moment den Schmerz spürt, man aber nichts erkennen kann, da er ja nur die Haut verletzt. Er macht das schon seit etwa sechs Wochen. Ich habe ihn gefragt, was er in dem Moment fühlt, was der Auslöser für dieses Verlangen ist. Darauf antwortete er mir, dass er sich selbst hassen würde, und dass er denkt, sich selbst bestrafen zu müssen. Ich habe ihm gesagt, dass ich mir Sorgen um ihn mache, darüber, dass er irgendwann vielleicht nicht mehr damit aufhören kann, und dass ihm das Kratzen irgendwann nicht mehr genug ist und er anfängt, sich zu schneiden. Daraufhin meinte er, es wäre ihm egal, wenn es so weit kommen würde. Auch meine Bedenken, dass je länger er es macht, es umso schwerer sein wird, wieder damit aufzuhören, ließen ihn kalt. "Warum sollte ich damit aufhören?"
Ihm ist vollkommen bewusst, was er da gerade tut. Er steuert sich ganz bewusst in eine Sucht hinein, von der er vielleicht nicht mehr loskommen wird. Und er WILL es. Er möchte nicht damit aufhören. Obwohl ihm klar ist, was das für Konsequenzen haben wird.
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Davon abhalten möchte ich ihn einerseits nicht, denn ich denke, dann würde es ihm noch schlechter gehen, weil der Druck irgendwann zu groß würde. Andererseits möchte ich nicht tatenlos zusehen wie er sich selbst noch mehr zerstört.
Ich habe eingesehen, dass ich allein nicht dazu in der Lage sein kann, ihn aus seinen Depressionen herauszuholen, deshalb habe ich schon vor zwei Monaten mit ihm darüer gesprochen, dass er sich professionelle Hilfe suchen sollte. Das hat er auch getan, und wartet momentan noch darauf, einen Therapieplatz zu bekommen. Seit fünf Tagen nimmt er Antidepressiva, aber nach einer so kurzen Zeit ist natürlich noch keine Veränderung zu erkennen.
Ich bin froh, dass mir endlich diese Verantwortung abgenommen wird, die mich in den letzten Monaten so sehr belastet hat. Aber ich möchte ihm trotzdem helfen, weiß nur nicht, wie.
Für ihn da sein, ihm zuhören, ihn ablenken... das ist selbstverständlich. Aber manchmal fällt mir selbst das schwer. Er tut so oft Dinge, die mich einfach wütend machen, und die ich einfach nicht tolerieren kann. Ich habe ihn immer wegen seiner Sandtheit und Freundlichkeit bewundert, und weil er sich nur selten aus der Ruhe bringen ließ, nur sehr selten wütend wurde. Doch im Moment ist er so unausgeglichen, hat teilweise wirklich extreme Stimmungsschwankungen, ist oftmals aufgedreht, dann wieder völlig niedergeschlagen. Auch regt er sich über jede Kleinigkeit auf, ist anderen gegenüber abweisend oder taktlos. Wenn er sich von jemandem gestört fühlt, hat er keine Skrupel, das auch offen zu zeigen. Und damit verletzt er auch andere. Und er verletzt mich. Unfreundlichkeit ist für mich ein absolutes Tabu. Mich macht sein rücksichtsloses Verhalten so wütend. Ich kann nicht verstehen, warum er das tut. Was bringt es mir, wenn er zu mir immer total lieb ist, und anderen gegenüber sich so falsch verhält? Das verletzt mich. Ich möchte, dass er das ändert. Nicht mir zuliebe. Ich möchte, dass er merkt, dass er andere (meist seine eigenen Freunde) mit seinem Verhalten verletzt.

Ich möchte ihm helfen. Ich möchte, dass es ihm besser geht und er sich nicht mehr selbst verletzen muss. Und ich möchte, dass er sein Verhalten gegenüber anderen ändert.
Das zweite sieht er auch ein, denke ich. Aber es fällt ihm sehr schwer, das zu ändern.
Wegen dem ersten bin ich wirklich verzweifelt, denn er möchte ja gar nicht damit aufhören.
Ich kann ihn nicht gesund machen, das muss ich wohl den Spezialisten überlassen. Aber gibt es nicht sonst irgendetwas, das ich für ihn tun könnte?

Ich bin für jeden Rat sehr dankbar!

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Papierblume
 
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Dabei
4 Okt 2004
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#2
Hi Papierblume

Ich denke du hast genau den richtigen Weg eingeschlagen mit der professionellen Hilfe! Nur ein Fachmann kann ihn da rausholen, evtl. kannst du ja auch mal mitgehen wenn er das möchte? Dann kannst du auch die Sachen ansprechen welche dich stören? Hatte er die Gefühlsschwankungen auch schon bevor er die Pillen nimmt, sonst könnte es damit zusammen hängen? Ich denke das ganze braucht seine Zeit und so ein Prozess geht nicht von Heute auf Morgen. Habe Geduld und sei für ihn da, er kann wirklich froh sein jemanden wie dich an seiner Seite zu wissen.

Gruss
 
Dabei
17 Aug 2007
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#3
Hallo LoveHelp!

Das ging ja schnell... danke für deine Antwort! :)

Ja, er hat diese Stimmungsschwankungen schon seit einigen Monaten.
Komischerweise ist er selbst beispielsweise nicht der Meinung, dass er irgendwie aufgedreht wäre. Aber diesen Eindruck man er auf viele.
 
Dabei
4 Okt 2004
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#4
Ja Menschen mit solchen Problemen haben öfters eine gestörte Wahrnehmung von ihrer Aussenwelt. Ich hoffe du hast die Kraft das ganze mit ihm durchzustehen es können noch einige Rückschläge auf dich zukommen und dann musst du Stark sein. Falls du dann selber Probleme kriegst wäre eine Betreuung auch für dich sicher nichts verkehrtes ;) Aber warte erst mal die Therapie ab, ich hoffe da wird bald etwas frei für ihn.

Gruss
 
Dabei
17 Aug 2007
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#5
Ich denke schon, dass ich das irgendwie hinbekomme... ich gehe seit Januar regelmäßig (ca. alle drei Wochen) zu einer Beratungsstelle, wo ich allgemein über meine Probleme und auch über meinen Freund spreche.

Ich bin im Moment wieder einmal sehr besorgt, denn mein Freund meinte, er möchte heute mit niemandem sprechen. Normalerweise spricht er zumindest mit mir. Ich mache mir solche Sorgen, weil er sich nicht meldet, möchte ihn jetzt aber andererseits auch nicht bedrängen. :(
 
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#6
Mal allgemein zum Thema Ritzen (das kribbelt mir grad so in den Fingern, dass ich nicht die Geduld aufbringe, den kompletten Beitrag + Antworten zu lesen ;) ):

1. man kann sich (am Arm) nicht ritzen, ohne dass man es sieht
2. ist Ritzen soweit ich weiß normalerweise keine "Selbsthass-Handlung" sondern eine "Schmerzen mit Schmerzen vertreiben" Handlung
3. ist es diesen Menschen so unangenehm, dass sie damit nichtmal rausrücken, selbst wenn andere sie z.B. auf die Narben ansprechen

Darf ich fragen, wie alt ihr seid?
 
Dabei
17 Aug 2007
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#7
Na ja, wie gesagt, bisher "kratzt" er sich ja nur. Er macht es ja noch nicht lange. Aber die meisten fangen wohl so "harmlos" an. :(
Ich denke auch nicht, dass man bei SVV "normalerweise" sagen kann. Die einen tun es um sich zu bestrafen, die anderen tun es, um sich selbst zu spüren,... das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ich denke, bei meinem Freund ist es irgendwie beides. Auch wenn das unlogisch klingen mag.
Mein Freund ist eigentlich auch ein Mensch, der mit niemandem redet. Außer mit mir. Mir sagt er eigentlich immer alles - zumindest denke ich das!

Mein Freund ist 17, fast 18. Ich bin 16.
 
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#8
Pubertät :roll:

Sorry, das klingt provozierend und ist wirklich nicht gegen Dich gerichtet, ich kann Dich verstehen, er ist Dir sehr wichtig, Du machst Dir Sorgen. Das ist äußerst lieb von Dir und er kann sich geehrt fühlen, dass er Dich hat - und genau das ist das Problem.

Viele Jugendliche in dem Alter meinen sich irgendwelche Pseudo-Depris einbilden zu müssen, um im Mittelpunkt zu stehen. Mag sein, dass ich Deinen Freund zu Unrecht angreife, aber ich kannte in dem Alter selbst genug Leute, die sich so verhalten haben. Und letztendlich sind sie alle noch am leben und sind wieder ohne Probleme normal geworden...
 
Dabei
17 Aug 2007
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#9
Ich stimme dir zu dass soetwas häufig in der Pubertät auftritt, aber für "Pseudo-Depris" geht das einfach schon zu lange. Ich kann das nicht genau einschätzen, aber es sind mindestens 19 Monate.
Er kommt mit seinem Leben einfach überhaupt nicht mehr klar. Und ich habe wirklich Angst, dass er da in etwas hineinrutscht. Er hat momentan diese "Mir ist alles egal, es hat doch eh alles keinen Sinn mehr"-Einstellung. Vielleicht ist das nur eine Phase, vielleicht aber auch nicht. Ich weiß es nicht.
Nur in einer Sache bin ich mir sicher: Wenn er sich jetzt nicht helfen lässt, wird es noch schlimmer werden. Er hat sich da so in seinen Problemen verrannt, dass er da ohne Hilfe nicht mehr rauskommt. :(
 
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#10
19 Monate, ihr seid doch erst 1 Jahr zusammen?

Naja, gerade diese "Alles scheiß egal"-Haltung ist typisch Teenie.
 
Dabei
4 Okt 2004
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#11
Ich würde es trotzdem nicht auf die leichte Schulter nehmen nur weil es ein "Teenie" ist. Es gibt genug Beispiele wo man es einfach ignoriert/verharmlost hat und dann doch etwas passiert ist. Ich denke wie gesagt ihr macht den richtigen Weg zusammen.

Gruss
 
Dabei
17 Aug 2007
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#12
Wir kennen uns aber schon länger, fast zwei Jahre.
Klar, so eine "Depri-Phase" durchlebt wohl jeder Teenie mal. Aber bei meinem Freund ist das infach nicht mehr "normal". Da kommt so viel zusammen. "Fehler", die er in unserer Beziehung gemacht hat, Probleme in seiner Vergangenheit,... das hat sich über einen so großen Zeitraum hinweg aufgestaut.
Eine Freundin von uns fragte mich, warum er denn eigentlich depressiv wäre, er hätte doch gar keinen Grund dazu. Das ist der Fehler, den viele Leute machen. Kaum jemand wird wegen einer bestimmten Sache depressiv. Seine Probleme gehen viel tiefer. Er ist nicht nur "ein bisschen depri" sondern wirklich krank.

untouchable, das ist jetzt nicht gegen dich, und wenn ich dich in irgendeiner Form beleidigen sollte, tut mir das sehr leid, aber das ist der Grund, warum ich in Foren mein Alter nur nenne, wenn ich direkt danach gefragt werde: Viele Menschen denken, dass Leute in dem Alter einfach nur übetreiben und sich in ihre "Pseudo-Depressionen" hineinsteigern. Auch denken viel, in unserem Alter würde man eh keine ernste Bezehung führen. "Ihr seid doch noch so jung, gemießt euer Leben doch!" Was sich manche Erwachsene denken, macht mich wirklich wütend. Man wird einfach nicht ernst genommen.
Wie gesagt, das war jetzt nicht direkt an dich gerichtet, ich wollte das jetzt nur mal allgemein loswerden.
 
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#13
Naja, aber Depris kommen auch nicht ohne Grund, weißt Du was über seine Vergangenheit, gibt´s da ernstzunehmende Auslöser o.ä.?

Kein Problem ;) Ich nehme DICH ernst, nur Deinen Freund nicht so ganz... sicherlich gibt´s Jugendliche, die ernstzunehmende Probleme haben, nur die meisten wollen halt einfach in dem Alter Aufmerksamkeit.
 
Dabei
17 Aug 2007
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#14
Ich habe den Verdacht dass einer der Hauptgründe in seiner Familie liegt. Ich habe lange darüber nachgedacht, was passiert sein könnte, dass er so geworden ist, und dabei ist mir eines klargeworden: Oftmals geht es gar nicht darum, was passiert ist, sondern darum, was nicht passiert ist.
Zu seinem Vater hat er keine wirkliche Beziehung, er sind ihn auch nur etwa einmal im Jahr. Das Verhältnis zu seiner Mutter ist nicht schlecht, aber er spricht mit ihr nicht über seine Sorgen. Seiner Aussage nach nimmt sie ihn auch nie in den Arm, sagt ihm nie dass sie ihn lieb hat, fragt nie, wie es ihm geht, ob er irgendwelchen Kummer hat.
Ich denke, dass es ihm in seiner Vergangenheit einfach sehr an Liebe, Zuwendung und Aufmerksamkeit fehlte. Und wenn dann noch andere Dinge passieren, die ihn sehr belasten, und das über Jahre hinweg, dann ist es nicht verwunderlich dass ihn das krank gemacht hat.
Das schlimmste für ihn ist wohl, dass er vieles davon selbst ausgelöst hat. Er meint, er hätte es verdient so zu leiden, er wäre selbst daran schuld. :|
 
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#15
Und warum ist er dann nicht gerade jetzt besonders froh und dankbar, wo er die lang vermisste Liebe und Zuneigung doch jetzt ENDLICH von Dir bekommt???
 
Dabei
17 Aug 2007
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#16
War er ja anfangs. Da ging es ihm endlich mal wieder gut. Aber dann kamen unsere Beziehungsprobleme (auf die ich nicht näher eingehen möchte). Er hat sich da so sehr hineingesteigert, dass er sich heute noch Vorwürfe wegen Dingen macht, die vor einem halben Jahr passiert sind. :?
Ich denke, das ist einfach viel zu tief in ihm drin, so dass er eine viel geringere Frustrationsschwelle hat als "gesunde" Menschen. Er kann nicht einfach sagen: "Okay, das war jetzt sch*iße, dann werde ich es halt in Zukunft besser machen!" Bei ihm führen schon Kleinigkeiten zu extremen Schuldgefühlen. Das wiederum sorgt dafür, dass seine Minderwertigkeitskomplexe noch schlimmer werden. Dann denkt er, er wäre ein totaler Versager, und würde eh nichts in seinem Leben auf die Reihe bekommen, und steigert sich da so sehr hinein, dass er nicht mehr rauskommt. Das "endet" dann in völliger Verzweiflung, Suizidgedanken und einem Hang zur Selbstverletzung. :?
 
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#17
Naja gut, wenn Du da nicht drüber reden möchtest, können wir da auch nicht genauer drauf eingehen. Ich ziehe mich besser aus diesem Thema zurück, helfen kann ich Dir nicht und uns gegenseitig provozieren brauchen wir ja auch nicht. :) Hoffe trotzdem, dass sich das bei euch wieder einpendelt. Alles Gute!

Liebe Grüße
 
Dabei
17 Aug 2007
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#18
Er ist nicht froh darüber, weil er ein Problem mit seinem Ego hat. Er sieht sich selbst in seinem Stolz verletzt, weil er Fehler gemacht hat, die er nicht selbst verkraftet. Man könnte das als eine Art Hochmut einstufen. Er wird sich für einen fehlerlosen Menschen gehalten haben oder zumindest für so einen, der niemals seine Liebe gefährdet. Und gerade weil er sich als so unfehlbar einschätzt und doch Fehler gemacht hat, die ihm möglicherweise zum Verhängnis geworden wären, ist sein Hass auf sich selbst größer denje. Das hat schon nichts mehr mit dir zutun. Sein Stolz stellt deine Liebe zu ihm schon in den Schatten, denn ihn interessiert es nicht einmal, dass du wegen ihm leidest und genau dass ist das Hauptmerkmal...
 
Dabei
17 Aug 2007
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#19
Da muss ich dir widersprechen. Im Gegenteil, er hatte noch nie viel Selbstbewusstsein. Er hielt sich definitiv nicht für unfehlbar, und dass er so unter seinen Fehlern leidet liegt nicht an seinem Stolz, sondern daran, dass er denkt, mich verletzt zu haben. Das hat er ja auch, aber nicht so sehr, als dass ich ihm nicht verzeihen könnte. Ich bin da schon lange drüber hinweg, aber er nicht. Wenn er jemanden liebt, dann tut er das mit ganzem Herz und ganzer Seele. Wenn er jemandem liebt, möchte er diesem Menschen die Sterne vom Himmel holen und alles tun, um ihn glücklich zu machen. Und genau diesen Menschen dann zu verletzen, ist etwas, womit er einfach nicht klarkommt.
 
Dabei
17 Aug 2007
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#20
ja ok, ich meinte halt sowas ähnliches. Du hast keine ahnung wie stolz man sein kann, obowohl man schüchtern ist xD Du kennst mich nicht. Trotzdem hat er sich selbst verletzt weil er dich verletzt hat und das ist das problem. Wenn ihm mehr an dir liegen würde, dann würde er sich mehr um dich kümmern um alles in ordnung zu bringen. Ihm muss nämlich klar sein, dass er dich mit seinem verhalten genauso verletzt wie sich selbst!
 
Dabei
11 Aug 2007
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#21
Hallo Papierblume!

Ich habe hier beim Lesen des Threads eine Gänsehaut nach der anderen...

Aus mehreren Gründen:

1.) Ich bin gelernte Krankenschwester und habe teilweise in der Psychiatrie gearbeitet, jetzt studiere ich Sozialwesen und habe auch dort zahlreiche Berührungspunkte mit dem Thema Depression.
Papierblume, es ist großartig und richtig, dass er sich therapeutische Unterstützung sucht.

2.) Untouchable schrieb "Und letztendlich sind sie alle noch am Leben und wieder ohne Probleme normal geworden...". Leider gibt es mehr als genug Jugendliche, die nach längerer Depression nicht mehr am Leben sind.
Ich halte es für mehr als wichtig, das Thema nicht als Pubertätsphase abzutun sondern die Augen offen zu halten.

3.) Papierblume, es gibt etwas, das ich dir raten möchte: Gib bitte gut auf dich Acht - und auf den Unterschied zwischen ihm helfen und ihn unterstützen wollen, ihm beistehen und ihn ernstnehmen in bestehender, depressionsbedingter Problematik auf der einen und ihn durch Überaufmerksamkeit und Ängstlichkeit und Über-Helfen-Wollen in den psychischen Rollstuhl zu verfrachten auf der anderen Seite.

Ich mag das gerne am Beispiel des sich-kratzens deutlich machen: Wenn er kratzt und Du es mitbekommst ist es eine Sache ihn nach seinen Beweggründen zu fragen, ihm zuzuhören und ihm zu zeigen, dass Du ihn trotzdem lieb hast, und eine andere, ihn durch eine Überthematisierung zum wirklichen Ritzen zu bringen.
Pass auf, dass Du nicht zu sehr helfen willst, damit machst Du ihn kränker und kränker.

Jemandem, der mit gelähmten Beinen im Rollstuhl sitzt zu sagen "Stell dich nicht so an, lauf halt ein paar Kilometer, ist doch so schönes Wetter!" ist sicher nicht fair und hilft der Person nicht, aber ihm so sehr zu überhelfen, dass er irgendwann auf den Trichter kommt, die Arme auch nicht mehr bewegen zu können... Naja, nicht Sinn der Sache.

Nach dem was Du schreibst glaube ich dir, dass er depressiv ist; aber ich denke auch nicht, dass er derzeit ernsthaft ritz-gefährdet ist. Menschen die ritzen wollen / müssen ritzen - und kratzen sich nicht.
Und da gebe ich Untouchable recht: Die meisten Menschen, die Ritzen, zeigen / erzählen das eigentlich niemandem (höchstens dem Arzt in der Notaufnahme, wenn es etwas arg war); die Scham ist in den meisten Fällen zu groß.
So wie Du es beschreibst würde er es vielleicht gerne; aber das kommt so rum nicht von der Depression.

Wenn Du ihm auch noch lang und breit und wiederholt erklärst, dass Du Angst hast, er könne mit dem "richtigen" Ritzen anfangen, wird er es früher oder später. Er ist da der falsche Ansprechpartner.

Ebenso wie mit dem Rückzug. Zieht er sich zurück dann lass ihn ruhig. Je mehr Du deshalb springst, desto mehr werden sich seine Symptome verstärken. Nicht, weil Du ihn kränker machst, sondern weil dann der sekundäre Krankheitsgewinn greift.
Aufmerksamkeit von Außen kann die innere Leere ein wenig füllen.

Paß gut auf dich auf, Papierblume.

KnottyS

p.S: Und was das mit dem Alter angeht stimme ich dir absolut zu: Es gibt 15jährige, die sehr reif, besonnen, vernünftig sind; und 40jährige, die sich immer noch benehmen wie peinliche Teens.
 
Dabei
17 Aug 2007
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#22
Ich bin mir eigentlich sicher, dass ihm das klar ist. Er versucht so sehr, sich um mich zu kümmern und ist auch für mich da, wenn ich Sorgen habe - ich muss gar nichts sagen, er muss mir nur in die Augen schauen um zu merken, dass etwas nicht in Ordnung ist! Ich glaube, er hat eine schon panische Angst, mir wehzutun. Teilweise sind es wirklich Kleinigkeiten. Er entschuldigt sich auch immer für alles. (Das ist teilweise schon nervig.)
Er macht sich Vorwürfe wenn ich traurig bin weil es ihm so schlecht geht. Aber da kann er doch auch nichts für. Es ist doch klar, dass ich mir da Gedanken mache.
Natürlich wäre es am logischsten zu sagen: "Ich sollte das endlich alles vergessen, und aufhören, mir Vorwürfe zu machen. Dann ginge es mir besser, unserer Beziehung würde besser laufen, und ihr ginge es auch wieder gut!"
Ihm ist das auch klar, dass er so denken sollte.Aber versuche mal, einen Depressiven dazu zu bringen, das auch zu tun! :eusa_think:


KnottyS, danke für deine ausführliche Antwort!
Das, was du da beschreibst, ist genau das, worüber ich mir auch zusätzlich noch Sorgen mache. Beispielsweise weiß ich nie, ob ich mit ihm jetzt über etwas (beispielsweise das Ritzen) sprechen sollte, oder ob ich ihn damit in Ruhe lassen soll. Ich weiß auch oft nicht, ob ich ihm bei bestimmten Dingen helfen soll, oder nicht. Ob er das in seinem Zustand alleine überhaupt schafft.
Ich habe Angst, zu viel zu tun, aber auch davor, nicht genug zu tun! :(
 
Dabei
17 Aug 2007
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#23
Jo das dachte ich mir auch schon, dass er sich danachnoch vorwürfe macht, weil er sich vorwürfe gemacht hat... Wenn das nicht behandelt wird, dann ist er irgendwann soweit, dass er Nachts aufsteht, vor die Tür geht und nie wieder kommt... Egal was er macht oder du machst, er wird sich da immer wieder hineinstegern. Es gibt nur einen Weg das zu stoppen, er muss lernene sich selbst zu lieben und genau dafür musst du ihm Zeit geben. Ich hab zwar keine Ahnung welche methoden bei sowas helfen, aber vielleicht beruhigt es ihn ja, wenn er mal welpen oder sowas streicheln geht sowas soll helfen. vielleicht wäre auch so ne Art von Überlebenstraining nicht schlecht, da würde er lernen mit sich selbst klarkommen zu müssen und er lernt sich selbst besser kennen
 
Dabei
17 Aug 2007
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#24
Na ja, mir ist bisher auch nicht viel eingefallen... ich habe ihm vorgeschlagen, dass wir wieder mit dem Tanzen anfangen, das konnte er eigentlich gut (er hatte schon das Slber-Abzeichen). Vielleicht lenkt ihn das zumindest etwas ab...
 
Dabei
11 Aug 2007
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#25
noch ein tipp von mir:
mach dir weniger sorgen darum was du sagen sollst und was nicht. halt an deiner jugendlichen lebensfreude fest, das wirkt ansteckend. ;)
und das mit dem tanzen ist prima. vielleicht könnt ihr das ja zusammen machen. oder mal achterbahn fahren, bungee-jumpen, fallschirm-springen, irgendwas, was adrenalin mobilisiert, spaß macht und wobei er sich lebendig und leicht fühlen kann.
oder lecker gemeinsam baden, schwimmen gehen, irgendwas total romantisches veranstalten.

und falls ihr sex habt: kann auch stimmungsaufhellend wirken.

und nicht vergessen, dir selbst viiiiieeeeel gutes zu tun.
 
Dabei
26 Apr 2007
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#26
Mal allgemein zum Thema Ritzen (das kribbelt mir grad so in den Fingern, dass ich nicht die Geduld aufbringe, den kompletten Beitrag + Antworten zu lesen ;) ):

1. man kann sich (am Arm) nicht ritzen, ohne dass man es sieht
2. ist Ritzen soweit ich weiß normalerweise keine "Selbsthass-Handlung" sondern eine "Schmerzen mit Schmerzen vertreiben" Handlung
3. ist es diesen Menschen so unangenehm, dass sie damit nichtmal rausrücken, selbst wenn andere sie z.B. auf die Narben ansprechen
Hi Untouchable!

Mich juckt es ja jetzt auch in den Fingern *frinz*. Ich muss doch mal widersprechen (teilweise). Ritzen kann durchaus eine "Selbsthass-Handlung" sein. Menschen die darunter leiden WOLLEN sich selbst diese Schmerzen zufügen. Meistens tritt dieses Verhalten in Verbindung mit dem Borderline-Syndrom auf. Es gibt verschieden schwere Stufen davon, aber Ritzen ist mit eine der bekanntesten und extremsten (die ich kenne). Für gewöhnlich kommt dieses Krankheitsbild eben dann auch noch mit Depressionen und manchmal sogar gespaltenen Persönlichkeiten auf.
 
Dabei
17 Aug 2007
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#27
Ach Mensch, ich mache mir solche Sorgen... :(
Er meinte gestern zu mir, er wolle in nächster Zeit mit niemandem reden... aber sonst spricht er doch zumindest mit mir. Er ist die ganze Zeit im ICQ online (wozu eigentlich?) und ich würde ihm so gerne schreiben. Aber wenn er nicht reden will, muss ich das akzeptieren. :(
 
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