Ich denke ebenfalls, dass es nicht so einfach ist und diese allgemeine Aussage daher so nicht stimmt. Das scheint mir eine sehr einfache und oberflächliche Betrachtung zu sein. Ich glaube das kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Auch wenn es bei Don Diros Vater vielleicht so war, dass er im Suff sein wahres Gesicht gezeigt hat muss dies nicht auf alle anderen Menschen zutreffen. Dafür ist die menschliche Psyche meiner Meinung nach auch viel zu komplex.
Meiner persönlichen Erfahrung nach stimmt eher die Theorie von maelcom. Ich habe sowohl bei mir als auch bei anderen festgestellt, dass die Verhaltensweise unter Alkoholeinfluss tendentiell vom aktuellen Gemütszustand abhängt. Wenn ich mal mich als Beispiel nehme: In einer schwierigen Phase meines Lebens mit sehr viel Frust und existentiellen Problemen wurde ich unter Alkoholeinfluss aggressiv und streitsüchtig - obwohl das sonst nicht der Fall war. Geschlagen habe ich jedoch nie. Im Nachhinein war ich selber erschrocken darüber weil ich so eigentlich nicht bin und mich auch unter Alkoholeinfluss so nicht kannte. Mein Eindruck war, dass ich in dem Moment den Frust und Ärger über meine eigene Unzulänglichkeit und alles, was in meinem Leben schief lief, massiv auf andere projizierte. Dazu beigetragen hat zweifellos, dass ich zu der Zeit relativ viel Alkohol konsumiert habe - mindestens ein Vollsuff pro Woche, manchmal auch zwei oder drei.
Ich denke also, dass das Verhalten unter Alkoholeinfluss in gewisser Weise schon ein Spiegelbild der Seele bzw. des aktuellen Seelenzustandes darstellen kann, aber nicht unbedingt den wahren Charakter aufdeckt. Ausschliessen würde ich das im Einzelfall nicht wollen, denke aber, dass wenn jemand aggressiv wird es sich eigentlich um gegen sich selbst gerichtete Aggressionen handelt die dann mithilfe des Abwehrmechanismusses der Projektion gegen andere gerichtet werden. Habe gerade diese Seite dazu gefunden, fand ich ganz interessant:
http://www.seele-und-gesundheit.de/psycho/abwehrmechanismus.html#proj
Dieser konkrete Fall spricht aus meiner Sicht klar dafür, dass der aktuelle Gemütszustand (Frustration, Verlustängste, Selbsthass etc.) für das Verhalten unter Alkoholeinfluss massgeblich ist. Bei anderen Drogen ist das ebenfalls so. Wenn verschiedene Probleme vorliegen ist es vielleicht wie bei einer Lotterie.
Man kann der Frau auf jeden Fall nur nahelegen, den Alkoholkonsum einzustellen und die eigentlichen Probleme anzugehen, die die Verzweiflung verursachen und den Wunsch zur Folge haben, sich regelmässig komplett abzuschiessen um aus der (vermutlich schmerzhaften) Realität zu entfliehen. Sonst werden die Probleme bekanntlich nicht besser sondern kontinuierlich schlimmer.