Die Sache mit dem Selbstwert

Dabei
6 Feb 2017
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#1
Der Text ist etwas länger geworden als gedacht und es ist kein akutes Problem, sondern nur eine "philosophische" Frage.

Ich bin ins Nachdenken gekommen und möchte das mal zur Diskussion an dieses Forum stellen.

Ich habe mir heute auf Youtube einen Vortrag von Alain de Botton mit dem Titel "Why you will marry the wrong person" angesehen. Ich stimme nicht mit allem, was er sagt überein, aber ein paar Dinge haben mich dann doch zum Überdenken einiger Dinge gebracht und eins davon war das:
Er sagt unter Anderem, dass wir in die Welt rausgehen auf der Suche nach einem Partner, der uns nicht rund um die Uhr gut fühlen lässt, sondern nach einem Partner, der uns vertraut fühlen lässt. Das beinhaltet uns auf vertraute Weise leiden lässt. Er sagt auch, dass wir in die Richtung einen bevorzugten Typ haben von dem wir nicht abweichen werden. Einige mögen also lieber arrogante, andere vielleicht distanzierte/unzugängliche (etc.) Menschen, bei denen die Freunde sagen "Trenn dich, der ist nichts für dich" - aber man wird von diesem Typ nicht loskommen und genau so jemand ist im Endeffekt dann eben doch was für einen.
Wenn ich das auf mich selbst oder Freundinnen von mir beziehe, dann bestätigt sich das sogar. Ich empfinde es sogar irgendwie als Erleichterung mir nicht mehr zu überlegen, warum ich mich zu bestimmten Menschen hingezogen fühle, sondern mir zu denken "tja, ist halt so.".

Aber dann gibt es ja noch die andere, allgemein verbreitetere Interpretation, dass es mit dem Selbstwert zusammen hängt, also dem Wert, den man sich selbst zuschreibt. Das würde bedeuten, dass wenn man an dieser Selbstwahrnehmung arbeitet und den Wert für sich nach oben setzt, auch die Ansprüche steigen, man sich für bestimmte Dinge quasi selbst "zu schade" wird und aus dem Kreislauf ausbrechen kann.
Und ich glaube auch für diese Theorie gibt es genug Vertreter, die sagen, dass sie es aus eigener Erfahrung bestätigen können, dass das so funktioniert.
Ich frage mich jetzt aber, ob der Selbstwert wirklich beinhaltet sich für bestimmte Dinge zu schade zu werden, oder ob er vielleicht einfach nur bedeutet, dass man ihn kennt. Ohne ihn beeinflussen zu können. Vielleicht setzt er sich ja auch aus Angebot und Nachfrage zusammen? (Ohne dass ein höherer Wert jetzt besser sein soll als ein niedriger).
Und das würde bedeuten, dass man sich selbst sozusagen nicht aufwertet, sondern sich einfach nur einordnet und dadurch aber auch schon den Frieden mit sich selbst findet.
Mir wurde in dem Thread mit dem ich hier ankam auch mitgeteilt, dass ich ein schlechtes Selbstwertgefühl hätte und daran arbeiten müsste. Ich hatte das Gefühl bis dahin nicht - kam dann aber natürlich ins Schwanken. Letztens hat ein Freund mir erzählt, dass er Selbstwertprobleme bei anderen Menschen als unangenehm empfindet. Ich frage mich warum. Wie kann sein Wohlbefinden davon beeinflusst werden, wenn irgendwer anderes eventuell ein Problem mit sich selbst hat? Außer vielleicht es erinnert ihn daran, dass er selbst auch kein besonders gutes hat?
Eine Freundin von mir ist der Ansicht, dass der Aufruf zur Errichtung eines hohen Selbstwerts nur ein Gerede der Stolzen ist und einem im Endeffekt selbst im Weg steht, weil man dann nicht mehr bereit ist sich zu öffnen, sich verwundbar zu machen und das Spiel zu spielen in dem Risiko eventuell zu verlieren. Man will schließlich seinen eigen errichtet ach so hohen Wert nicht aufgeben. Man ist quasi inzwischen eine 90, da muss man sich nicht einer 70 öffnen und dadurch auf 50 fallen.

Wie man merkt, habe ich das gesamte Konzept überhaupt nicht durchblickt.
Ich persönlich empfinde kein besonderes Gefühl, was ich als Selbstwertgefühl identifizieren könnte, wenn ich ehrlich bin. Und ich weiß daher auch nicht so genau, was ich damit anfangen soll. Ich bin ich, ich hab alle Eigenschaften in unterschiedlicher Verteilung ich mag die und die Dinge, das ist alles, was ich weiß. Welchen Wert ich habe? Für jeden Menschen dem ich jemals begegnet bin vermutlich einen Anderen.
Wenn ich daher Sätze höre, wie "Ich habe Ansprüche und die erfüllt der nicht", "Dafür bin ich mir selbst zu wertvoll" oder "Ich bin zu gut dafür", dann denke ich also in erster Instanz "good for you" und in zweiter "versteh ich irgendwie nicht..". Wodurch mir die Person auch zu einem gewissen Grad unsympathisch wird, weil sie für mich dann weniger zugänglich wird (das Wort passt nicht wirklich. Ich habe nach einer Übersetzung für "less relatable" gesucht.). Bei mir ganz konkret wäre das also kein Ratschlag, den man jemandem geben sollte, der in meinen Augen attraktiv erscheinen möchte und aber findet, dass ich ihn doof behandel.
Aber das bin ja auch nur ich.

Gibt es hier aber Menschen, die meine Gedanken nachvollziehen können? Oder was sind andere Gedanken dazu? Es würde mich einfach allgemein interessieren.
 
P

Papatom

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#2
Moin,
ich kann das nachvollziehen. Ich finde aber, Du unterliegst einem kleinen Denkfehler. Ja, Selbstwert hat etwas damit zu tun, sich "aufzuwerten". Aber nicht über Andere, so wie Du oben meinst. Das wäre für mich lediglich Arroganz. Selbstwert ist eine Aufwertung gegenüber den eigenen Ängsten, den eigenen Zweifeln und Mustern, die man durch Erziehung und Erlebnisse entwickelt. hat.

Das hat nichts damit zu tun, den Anforderungskatalog beim nächsten Date dabei zu haben und den abzuhaken, oder so was.

Es geht darum zu verstehen und für sich ganz individuell zu ergründen, warum man bestimmte Dinge so tut, wie man sie tut und eventuell ein negatives Muster, eine Fremdbestimmung zu finden. Dann gilt es diese abzustellen.

Ein Beispiel wäre mal klischeehaft un platt: Jemand hatte eine furchtbare Kindheit mit Einsamkeit und Vernachlässigung und hat dadurch "gelernt" nicht "liebenswert" zu sein. Pflegfamilie war oberflächlich und hat nur Leistung verlangt. Ein gägniges Verhalten des Protagonisten wäre nun, in einer Beziehung zu denken, als nicht liebenswerte Person durch "Leistung" sich die Liebe des Partners "verdienen" oder "erarbeiten" zu müssen.

DAs werden dann furchtbar unattraktive Jasager, die immer "alles" für den Partner tun bis zur Selbstaufgabe. Verkennen aber, dass sie in Wirklichkeit gar nichts für die Beziehung tun, sondern nur ihre eigenen Ängste bedienen.

Das zu sehen und zu ändern wäre für mich "Selbstwert".

Nur mal oberflächlich angekratzt und man kann das noch viel differenzierter fortführen

Grüße
 
Dabei
6 Mrz 2013
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#3
idkat, das ist ein interessanter Thread!

Zu Theorie 1:
Ich bin immer skeptisch, wenn ich wo was von "wir" lese. Die Menschen sind immer noch Individuen, es gibt also sicher nichts was auf alle zutrifft.
Wenn ich meine Beziehungen im Geiste durchgehe, fällt mir auch kein "Muster" auf. Außer dass keiner davon ein Macho war und alle was im Hirn hatten, haben die Männer wenig gemeinsam. Bei mir fällt mir nur auf, dass ich auch vor Schwierigkeiten nicht zurückschrecke (mich diese aber wiederum auch nicht anziehen). Und ansonsten war meine Partnerwahl zu Beginn 2x ein Griff in ein jeweils anderes Klo, danach kam eine interessante und eigentlich bis heute andauernde Experimentierphase, bei der die Wahl immer "besser" wurde. Das hat sicher so profane Gründe wie: bessere Menschenkenntnis durch mehr Lebenserfahrung; dadurch auch mehr Selbstbewusstsein => ich stehe zu dem was ich gut und nicht gut finde und vertrete das gegenüber einem Partner auch.

Die Theorie versucht wohl zu erklären, warum Frauen sich immer wieder Männer raussuchen, obwohl sie Arschlöcher sind. Also: Sie sind zwar Arschlöcher, aber das hat (wenigstens) was Vertrautes => man weiß wie man damit umgehen "muss" (naja, nicht wirklich; ich würde mich da trennen; aber da sind Menschen angesprochen, die unbedingt (irgend)einen Partner brauchen). Wer nie mit einem Arschloch zusammen war kann da nicht mitreden und für den ist diese Theorie mE gar nicht gedacht.

Erleichterung mir nicht mehr zu überlegen, warum ich mich zu bestimmten Menschen hingezogen fühle, sondern mir zu denken "tja, ist halt so.".
"Ist halt so" ist ok, wenn es kein Problem für dich ist. Wenn du dich aber zB immer zu Schlägern, Säufern, Egoisten ... hingezogen fühlen würdest, würde es sich durchaus lohnen, das zu hinterfragen. Denn das muss mE nicht sein.

Zu der Selbstwertthematik:
Ich frage mich jetzt aber, ob der Selbstwert wirklich beinhaltet sich für bestimmte Dinge zu schade zu werden, oder ob er vielleicht einfach nur bedeutet, dass man ihn kennt. Ohne ihn beeinflussen zu können. Vielleicht setzt er sich ja auch aus Angebot und Nachfrage zusammen? (Ohne dass ein höherer Wert jetzt besser sein soll als ein niedriger).
Und das würde bedeuten, dass man sich selbst sozusagen nicht aufwertet, sondern sich einfach nur einordnet und dadurch aber auch schon den Frieden mit sich selbst findet.
Ich finde, für bestimmte Dinge ist jeder zu schade. Kein Mensch braucht sich von einem anderen schikanieren zu lassen, schon gar nicht von einem Partner, den man sich selbst gesucht hat und den man auch wieder "abstoßen" kann.

Letztens hat ein Freund mir erzählt, dass er Selbstwertprobleme bei anderen Menschen als unangenehm empfindet. Ich frage mich warum. Wie kann sein Wohlbefinden davon beeinflusst werden, wenn irgendwer anderes eventuell ein Problem mit sich selbst hat? Außer vielleicht es erinnert ihn daran, dass er selbst auch kein besonders gutes hat?
Ich verstehe den Freund. Probleme eines Partners oder eines guten Freundes wirken sich doch immer auf die Beziehung aus, und das kann eben anstrengend sein. Mir ist ein Partner ohne Selbstwertprobleme lieber, weil ich wenig Lust habe, ihm dauernd die Bestätigung zu geben, die er zu brauchen meint.

Eine Freundin von mir ist der Ansicht, dass der Aufruf zur Errichtung eines hohen Selbstwerts nur ein Gerede der Stolzen ist
In einer Beziehung ist das für mich eine Frage der Augenhöhe, und wenn jemand in einem Forum schreibt, dass ein anderer an seinem Selbstbewusstsein/ Selbstvertrauen arbeiten sollte, ist das meist nur ein nett gemeinter Tip (der allerdings sehr schwer umzusetzen ist).

Wenn ich daher Sätze höre, wie "Ich habe Ansprüche und die erfüllt der nicht", "Dafür bin ich mir selbst zu wertvoll" oder "Ich bin zu gut dafür",
Für mich klingt das so halt arrogant. Aber trotzdem kann zB die 1. Aussage ja zutreffen. Ich möchte mich zB mit einem Partner unterhalten können, und wenn ein anderer dazu zu doof ist, erfüllt er meine Ansprüche nicht. Ich wüsste nicht, wie man das netter beschreiben sollte (außer die Beschreibung überhaupt bleiben zu lassen).
 
Dabei
6 Mrz 2013
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#4
Ängsten, den eigenen Zweifeln und Mustern, die man durch Erziehung und Erlebnisse entwickelt. hat.
Erziehung ist für mich ein ganz wichtiger, entscheidender Punkt. Deswegen ist es aus meiner Sicht so schwierig, da was dran zu ändern. In meiner Familie wurde den Kindern offenbar ein gesundes Selbstbewusstsein/ Selbstwertgefühl mitgegeben, und davon zehren wir seither. Ich kenne viele Menschen, die sich hinter mir absolut nicht verstecken müssten, aber denen wurde in ihrer Kindheit sowas gesagt wie "Du kannst das sowieso nicht" usw. Da brauchen die Dutzende von Therapiestunden, um da dahinterzukommen, und wenn man mal die Ursache gefunden hat, hat man noch lange nicht die Lösung.
 
Dabei
3 Jun 2013
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#5
Hallo,

ich finde den Begriff Selbstwert auch irgendwie schwierig. Probleme im Zusammenhang mit dem Selbstwertgefühl sind meiner Meinung nach immer auf bestimmte Ängste zurückzuführen und die bestimmen, warum sich jemand wie verhält. Ich komme nicht aus dem Bereich der Psychologie, wenn hier jemand davon Ahnung hat, kann er ja mal was dazu erklären. Ich denke man muss da in vielen Fällen unterscheiden.
Anscheinend gibt es Menschen, die sich bewusst Quälereien aussetzen, weil sie denken, sie seien es in der Tat nicht wert, besser behandelt zu werden. Das wäre für mich die Definition schlechthin.
Anhand eines anderen Beispiels wäre ich mir unsicher. Denn ich glaube, in sehr vielen Fällen ist es so, dass sich manche Menschen mit anderen Leuten abgeben, die ihnen offensichtlich nicht gut tun - Das aber nicht, weil sie sich selbst für wertlos halten, sondern ganz im Gegenteil. Weil sie sich vielleicht selbst einen Wert beimessen, den sie aber vom anderen nicht erfahren.
Wenn also dann solche Menschen an Beziehungen hängen, dann, weil sie permanent im Kampf um die Bestätigung ihres Wertes sind. Ein Gefühl, das unersättlich sein kann und ich wage zu bezweifeln, dass der Selbstwert ein Ding an sich ist, das unabhängig von äußeren Faktoren besteht.
Dass dies nicht so ist, zeigen Extremsituationen, in denen Menschen so enorme Erniedrigung erfahren, dass damit die komplette Vorstellung von sich selbst in Frage gestellt wird.

Bestätigung erfahren zu wollen, stell ich mal als völlig menschlich und natürlich hin. Wenn ich also meiner Person selbst einen gewissen Wert zuspreche und ich sehe, dass mir dieser von der Person, von der ich mir das erhoffe, nicht zuteil wird, dann sehe ich darin entweder einen Widerspruch, oder ich akzeptiere es und beachte es nicht. Wenn sich aufgrund dessen dann andere Verhaltensstrategien durchsetzen, berührt das dann nicht viel mehr eine andere Problematik, als das Selbstwertgefühl an sich in Frage zu stellen?
 
Dabei
6 Feb 2017
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#6
Schonmal danke für die ersten Antworten - ich arbeite mal der Reihe nach ab.

Papatom hat gesagt.:
Selbstwert ist eine Aufwertung gegenüber den eigenen Ängsten, den eigenen Zweifeln und Mustern, die man durch Erziehung und Erlebnisse entwickelt. hat.
So wie ich diese Definition verstehe bedeutet Selbstwert also in deinen Augen nicht sich minderwertig oder wertlos gegenüber anderen Menschen zu fühlen, sondern eher den "Gesundheitszustand" einer Person? Wenn also eine Frau wiederholt von ihrem Mann betrogen wird und in der Beziehung bleibt, dann wäre der Selbstwert in diesem Kontext nicht die Interpretation, dass die Frau selbst wohl das Gefühl haben muss sie verdient nichts "Besseres", sondern die Hintergründe und Ängste in ihrer eigenen Person wären der Selbstwert?
Also wäre es laut der Definition nicht so, dass sie sich selbst einen besseren Selbstwert geben muss, um aus der Beziehung auszubrechen, sondern wenn sie aus der Beziehung ausbrechen würde, dann wäre das die Handlung die ihren Selbstwert erst steigert?
Hab ich das so richtig verstanden?

Twi-n-light hat gesagt.:
(...) danach kam eine interessante und eigentlich bis heute andauernde Experimentierphase, bei der die Wahl immer "besser" wurde.
Das hier ist keine Spekulation bezüglich deiner Person, sondern nur ein hypothetischer Gedanke:
Vielleicht entsprichst du ja nicht dieser Theorie, weil du noch niemandem begegnet bist, der dich auf vertraute Weise hat leiden lassen... :)

Twi-n-light hat gesagt.:
Ich finde, für bestimmte Dinge ist jeder zu schade. Kein Mensch braucht sich von einem anderen schikanieren zu lassen (...)
Da stimme ich natürlich zu, aber das fällt nicht in Kategorie Selbstwert für mich, sondern Kategorie allgemeine Menschenwürde. Der Satz "Dafür bin ich mir zu schade" impliziert für mich, dass es andere Individuen geben kann, die das nicht sind.

Twi-n-light hat gesagt.:
Für mich klingt das so halt arrogant. Aber trotzdem kann zB die 1. Aussage ja zutreffen. Ich möchte mich zB mit einem Partner unterhalten können, und wenn ein anderer dazu zu doof ist, erfüllt er meine Ansprüche nicht.
Ja, wenn man Anspruch als Synonym für Kriterium betrachtet, quasi nur quantitativ messbar im Sinne von "viele" oder "wenige", aber nicht qualitativ im Sinne von "hohe" oder "niedrige" Ansprüche, dann würde ich das so unterschreiben.

Twi-n-light hat gesagt.:
Erziehung ist für mich ein ganz wichtiger, entscheidender Punkt.
Da stimme ich dir und Papatom auch zu.

Ef90 hat gesagt.:
Anscheinend gibt es Menschen, die sich bewusst Quälereien aussetzen, weil sie denken, sie seien es in der Tat nicht wert, besser behandelt zu werden. Das wäre für mich die Definition schlechthin.
Ich denke, das ist auch die Definition nach der das Wort am meisten gebraucht wird.

Ef90 hat gesagt.:
Denn ich glaube, in sehr vielen Fällen ist es so, dass sich manche Menschen mit anderen Leuten abgeben, die ihnen offensichtlich nicht gut tun - Das aber nicht, weil sie sich selbst für wertlos halten, sondern ganz im Gegenteil.
Auf die Gegenteil-Theorie, dass ein (zu) hoher Selbstwert für eine (zu) hohe Erwartungshaltung sorgt, die einen in einer ungesunden Beziehung verweilen lässt, weil man davon ausgeht, dass diese Erwartungshaltung ja noch erfüllt werden muss, sonst widerspräche das dem eigen gesetzten Selbstwert (wenn ich das richtig verstanden habe?) wäre ich selbst jetzt nicht gekommen, aber finde ich ziemlich interessant. Muss ich noch ein bisschen drüber nachdenken.
Dass aber die Tatsache, dass sich Menschen mit Leuten abgeben, die ihnen nicht gut tun, nicht unbedingt zur Ursache haben muss, dass diese Menschen sich als minderwertig erachten, hatte ich auch schon überlegt. Ich kann mir zB auch vorstellen, dass es auch mit einer realistischen Selbsteinschätzung zusammenhängen kann. So wie ich in meinem Ausgangstext meinte, dass es ja auch bedeuten könnte, dass man seinen eigenen Wert einfach kennt und sich dadurch einordnen kann - dass man sich also seiner eigenen Schwächen quasi auch bewusst ist und sagt "realistisch betrachtet ist es mit dem, was ich in die Beziehung bringe, auch eigentlich das, was ich an Retour erwarten kann und in dem Sinne dann okay". Macht das Sinn?
 
P

Papatom

Gast
#7
So wie ich diese Definition verstehe bedeutet Selbstwert also in deinen Augen nicht sich minderwertig oder wertlos gegenüber anderen Menschen zu fühlen, sondern eher den "Gesundheitszustand" einer Person?
Moin,
fast. Selbstwert is für mich, dass man erkennt, welchen Wert man für sich selber haben kann und sollte gegenüber der Konditionierung und Fremdbestimmung die man unbewusst mit sich schleppt. Das kann ja alles mögliche sein.
Bedeutet in Deinem Beispiel, die Frau sollte erkennen, wegen welcher in Ihrer Vergangenheit und Erziehung begründeten Ereignissen sie nun meint, bei diesem Typen bleiben zu müssen, obwohl er ihr offensichtlich nicht gut tut. Nicht die Handlung wäre der Selbstwert, sondern die Erkenntnis über Ihr Hintergründe, die sie zum Bleiben veranlassen. Sobald sie das reflektieren und überwinden kann, DANN ist es für mich Selbstwert.

Grüße
 
Dabei
6 Feb 2017
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#8
@Papatom
Moin. Noch nicht ganz verstanden.
Angenommen der Hintergrund wäre, dass sie sich denkt "Ich habe ihn in letzter Zeit auch nur noch kritisiert. Immer wenn es im Job schlecht läuft, kriege ich Versagensängste und werde streng mit allen Anderen in meiner Umgebung. Kein Wunder, dass er sich Bestätigung dann woanders holt."
Wäre das dann ein Zeichen von schlechtem Selbstwert, weil sie die "Schuld" in sich selbst sucht und der Ansicht ist sie hätte es mit ihrer Art der Beziehungsführung quasi "verdient", oder ist das ein Zeichen von gutem Selbstwert, weil sie in der Lage ist sich selbst zu reflektieren und die Baustelle zu sehen an der gebaut werden muss, damit es nun vielleicht wirklich nicht mehr vorkommt..?
 
P

Papatom

Gast
#9
Moin,
nein, noch zu sehr an der Oberfläche.....die Frage wäre korrekt: Warum kriege ich immer Versagensängste? Warum traue ich mir den Job nicht zu? Das muss dann ergründet werden.

Wenn Du z.B. Dein Kind bedingungslos liebst und ihm das auch zeigst, wird das gestärkter in die Welt ziehen und tendenziell weniger Versagensängste haben, als ein Kind, das Eltern mit Leistungsprinzip hat, wo man sich Liebe "verdienen" muss durch z.B. gute Noten in der Schule.

Das Nörgeln am Freund in der Situation ist dann nur ein weiteres Symptom.

Natürlich war das jetzt nur ein Klischeebeispiel. Es gibt unendlich viele persönliche Facetten. Aber das ist eben der Kern. Wenn sie erkennen kann, dass sie z.B. immer noch nach der Bestätigung von Aussen (der Eltern sucht) und sich dadurch hemmt, dann kann sie auch erkennen, dass diese Bestätigung weder durch den Job noch durch den Freund kommen kann, sondern dass sie es selber in der Hand hat.

Es ist nicht so ganz einfach und driftet auch schnell in philosophische Berieche ab, aber das ist es ungefähr...

Besser?

Grüße
 
Dabei
6 Mrz 2013
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#10
ef90

Anscheinend gibt es Menschen, die sich bewusst Quälereien aussetzen, weil sie denken, sie seien es in der Tat nicht wert, besser behandelt zu werden.
Ich glaube nicht, dass sich diese Menschen bewusst einer Quälerei aussetzen und ich glaube auch nicht dass sie dabei irgendwas "denken". Ich glaube, das sind Prozesse, die unbewusst ablaufen.

Wenn also dann solche Menschen an Beziehungen hängen, dann, weil sie permanent im Kampf um die Bestätigung ihres Wertes sind.
Aber die Frage wäre für mich, warum sich Menschen, die besondere Bestätigung brauchen, ausgerechnet Arschlöcher und Idioten dafür aussuchen.

idkat
Vielleicht entsprichst du ja nicht dieser Theorie, weil du noch niemandem begegnet bist, der dich auf vertraute Weise hat leiden lassen... :)
Die Theorie tut aber als wäre sie allgemeingültig. Und außerdem besagt sie, dass die Menschen sich bestimmte andere Menschen suchen. Ich suche mir aber keine Menschen, die mich vertraut leiden lassen, und die meisten Menschen die ich kenne auch nicht.

Da stimme ich natürlich zu, aber das fällt nicht in Kategorie Selbstwert für mich, sondern Kategorie allgemeine Menschenwürde.
Das mit der Menschenwürde stimmt, aber genau darum geht es doch: Warum manche Menschen anscheinend ein so geringes Selbstwertgefühl haben, dass sie Dinge mit sich machen lassen, die gegen die allgemeine Menschenwürde verstoßen.

Ja, wenn man Anspruch als Synonym für Kriterium betrachtet, quasi nur quantitativ messbar im Sinne von "viele" oder "wenige", aber nicht qualitativ im Sinne von "hohe" oder "niedrige" Ansprüche, dann würde ich das so unterschreiben.
Das kann man von mir aus durchaus auch qualitativ betrachten, oder gar nicht besonders werten. Es ist doch nicht entscheidend, wie viele Eigenschaften ich an einem Partner wichtig finde, sondern welche. Wenn ich da jetzt "Humor" sage, ist das dann ein "hoher" oder ein "geringer" Anspruch? Wenn ich "Akademiker" sage, ist das vermutlich ein hoher Anspruch, aber na und? Dann ist es halt ein hoher. Wenn ich solche Partner finde, spricht ja nichts gegen so einen Anspruch.
 
Dabei
6 Mrz 2013
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#11
Dass aber die Tatsache, dass sich Menschen mit Leuten abgeben, die ihnen nicht gut tun, nicht unbedingt zur Ursache haben muss, dass diese Menschen sich als minderwertig erachten, hatte ich auch schon überlegt. Ich kann mir zB auch vorstellen, dass es auch mit einer realistischen Selbsteinschätzung zusammenhängen kann.
Das ist genau das worauf ich vorher hinauswollte und worauf du das mit der Menschenwürde geschrieben hattest. Da haben wir beide uns glaub ich noch nicht ganz verstanden.

Ich wollte sagen: Was meinst du mit einer "realistischen Selbsteinschätzung"? Das klingt so, als würden Menschen, die sich zu Recht als minderwertig selbst einschätzen, Schikanen verdienen.

Angenommen der Hintergrund wäre, dass sie sich denkt "Ich habe ihn in letzter Zeit auch nur noch kritisiert. Immer wenn es im Job schlecht läuft, kriege ich Versagensängste und werde streng mit allen Anderen in meiner Umgebung. Kein Wunder, dass er sich Bestätigung dann woanders holt."
Wäre das dann ein Zeichen von schlechtem Selbstwert, weil sie die "Schuld" in sich selbst sucht und der Ansicht ist sie hätte es mit ihrer Art der Beziehungsführung quasi "verdient", oder ist das ein Zeichen von gutem Selbstwert, weil sie in der Lage ist sich selbst zu reflektieren und die Baustelle zu sehen an der gebaut werden muss, damit es nun vielleicht wirklich nicht mehr vorkommt..?
Das hat für mich zunächst mal was mit "Verhalten" zu tun. Sie müsste sich dann überlegen, wo ihre Versagensängste herkommen. Ihre Analyse, dass sie wegen ihrer Versagensängste ihren Mann schlecht behandelt und der sich deswegen woanders umsieht, könnte ja durchaus zutreffen.
 
Dabei
6 Feb 2017
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#12
Twi-n-light hat gesagt.:
Das mit der Menschenwürde stimmt, aber genau darum geht es doch: Warum manche Menschen anscheinend ein so geringes Selbstwertgefühl haben, dass sie Dinge mit sich machen lassen, die gegen die allgemeine Menschenwürde verstoßen.
Aber genau das ist eben die Frage für mich, ob man das wirklich so sagen kann.
Angenommen ich habe jetzt einen Freund und er schlägt mich. Dann lasse ich ihn erstmal machen. Vielleicht, weil ich ihn eh nicht aufhalten könnte, vielleicht, weil ich denke wenn ich mich wehre wird es noch schlimmer, vielleicht weil ich einfach nicht realisiere, was gerade passiert. Dafür hat auch noch jeder Verständnis - dass eine Frau, die geschlagen wird, da nichts macht. Denn ob sie es aus schlechtem Selbstwert heraus macht, weil irgendwas in ihrer Vergangenheit sie so geprägt hat so zu reagieren, oder ob sie sich einfach nur realistisch betrachtet und es als das geringere Übel sieht sich nicht zu wehren, weiß man ja erstmal nicht.
Aber wenn ich dann danach nicht aufstehe und sage "das reicht, das hier ist die Trennung" - dann wird das auf einen schlechten Selbstwert zurückgeführt. Im Sinne von "er hat sie geschlagen und sie bleibt, sie ist es sich selbst nicht wert auf sich aufzupassen" Aber wenn ich dann zB aufstehe und sage "okay, erklär dich, ich will's verstehen" und ich entwickle dann tatsächlich ein Verständnis und sehe einen anderen Weg als Trennung, der eine Wiederholung in Zukunft vermeiden könnte, dann bleibe ich vielleicht deshalb in der Beziehung. Nicht im Sinne von "ich bin es mir selbst nicht wert auf mich aufzupassen", sondern im Sinne von "ich schätze das als überwindbar ein und das ist es mir Wert nochmal zu investieren." Die Erniedrigung ist dann ja auch so oder so schon geschehen und ob man dann die Konsequenz darin sieht seine Sachen zu packen und den Rücken zu kehren, oder seine Unterstützung anzubieten - da sehe ich den Rückbezug zum Selbstwert nicht.

Twi-n-light hat gesagt.:
Ich wollte sagen: Was meinst du mit einer "realistischen Selbsteinschätzung"? Das klingt so, als würden Menschen, die sich zu Recht als minderwertig selbst einschätzen, Schikanen verdienen.
Ich meinte damit nicht zu Recht als minderwertig, sondern als "gleichwertig" (gefällt mir auch nicht so gut das Wort, aber was solls) gegenüber dem Partner.
Im Sinne von, dass man Situationen ja auch wirklich provozieren kann und sich dann im Nachhinein eigentlich nicht wirklich wundern müsste.
Als Beispiel: Eine Frau erzählt, dass ihr Mann ständig nur anfängt sie auszulachen, wenn sie sauer wird und man denkt sich "wie respektlos, das würde ich mir niemals gefallen lassen, warum bleibt sie denn bei so einem?" und dann beobachtet man einmal ihre Streitführung und denkt sich "okay, sie bleibt wahrscheinlich, weil jeder andere Mann einfach abhauen würde und in dem Sinne ist ausgelacht zu werden dann wohl doch die bessere Alternative".
Dann würde ich das nicht als schlechtes Selbstwertgefühl beschreiben, sondern als insgeheim realistische Selbsteinschätzung nicht wirklich "Besseres" erwarten zu können. Auch wenn man natürlich gerne einen Partner hätte, der weder auslacht, noch die Sachen packt. Aber sollte es so einen geben, würde man dem wohl einen schlechten Selbstwert zusprechen.
Macht das so Sinn?
 
Dabei
6 Mrz 2013
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#13
Ich meinte damit nicht zu Recht als minderwertig, sondern als "gleichwertig" (gefällt mir auch nicht so gut das Wort, aber was solls) gegenüber dem Partner.
Im Sinne von, dass man Situationen ja auch wirklich provozieren kann und sich dann im Nachhinein eigentlich nicht wirklich wundern müsste.
Auch das hat für mich zunächst mal was mit (falschem) Verhalten zu tun.

Anhand deines aktuellen Beispiels versteh ich jetzt glaub ich besser was du meinst. Aber was ist davon jetzt der Nährwert? Man sollte sich halt immer den Einzelfall anschauen, und zu deinem aktuellen Beispiel würde ich der Frau empfehlen, an ihrem Streitverhalten zu arbeiten; wenn der Mann in einem Forum fragen würde, ebenso. Dafür bräuchte ich den Begriff Selbstwert gar nicht.
 
Dabei
6 Feb 2017
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#14
@Twin
So umfassend und reflektiert und von allen Seiten kriegt man das ja nicht immer geschildert und ich frage mich aber, ob wenn man live dabei wäre und den umfassenden Blick bekommen würde, man nicht konsequent immer eine andere Begründung finden würde, als "dein Problem ist ein schlechtes Selbstwertgefühl". Ob man im Endeffekt nicht immer feststellen würde, dass die Probleme innerhalb einer Beziehung im Verhalten der beiden Partner verankert sind und mit einer Änderung im Verhalten schon gelöst werden könnten.
Denn rein logisch überlegend:
- Wenn ich mich darüber beschwere, dass mein Mann immer wieder auf mich herabredet, dann beschwere ich mich ja, weil ich mich wenn überhaupt zu wertvoll dafür erachte. Also ist mit meinem Gefühl, was ich "verdiene", ja erstmal nichts verkehrt, sondern höchstens gehen meine Versuche mir das zu beschaffen ins Leere.
- Wenn mein Mann auf mich herabredet und ich sehe das als normal an, weil ich selbst glaube, dass ich dumm bin und anderen Menschen damit zur Last falle und die dann zu Recht so reagieren, dann würde ich mich nicht beschweren.
 
Dabei
17 Mai 2015
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#15
Das ist ein interessantes Thema.
"Selbstwert" was ist das?
Wie definiert man das?
Stimmt, das fängt in der Kindheit an.
Ich bin kein Psychologe, ich kann daher auch nur von mir selbst schreiben.
Ich leide selbser unter einem relativ niedrigen Selbstwergefühl.
Ich bin behütet aufgewachsen, aber speziell meine Mutter war sehr leistungsorientiert.
Das führt dann dazu, das Ansprüche zu erfüllen waren, wenn das nicht gelang führte das auch schon mal zu Zurückweisung.
Noch heute habe ich manchmal das Gefühl, die Ansprüche, die an mich an mich gestellt werden, nicht erfüllen zu können.
Daher ist man sehr darauf aus, sich Bestätigung zu suchen, sowohl im beruflichen oder auch in Beziehungen.
Weniger beruflich, denn da weis ich, was ich kann und bin dort auch erfolgreich.

Es besteht dann immer wieder die Gefahr, das man sich dadurch Bestätigung sucht, in dem man versucht, dem Partner alles recht machen zu wollen.
Man wird zum Ja-Sager und dadurch unattraktiv auf Dauer.
Das heisst, es passiert genau das Gegenteil von dem, was man erreichen wollte.
Das kann dann auch zu einer Art Rückfall in kindliche Verhaltensweisen führen, das man dann alles tut, damit, überspitzt formuliert, "Mami mich wieder liebhat".

Genau dieses Verhalten zerstörte meine vorletzte Beziehung, denn alle Frauen, die ich kennelernte, schätzten ihre Unabhängigkeit und fühlten sich durch ständige Liebesbezeugungen schnell bedrängt und in eine Rolle gezwängt, die sie nicht wollten.
Auch in meiner jetzigen Beziehung knirscht es manchmal, aber ich habe gelernt, auch mal Grenzen zu setzen, meinen Standpunkt zu vertreten.
Dazu kommt natürlich auch die Partnerin, die ähnliche Erfahrungen gemacht hat und das wir sehr häufig auch darüber reden.



aber man sollte klar trennen zwischen Selbstaufgabe und Selbsthingabe, die manchmal sehr erfüllend sein kann.
 
Dabei
6 Feb 2017
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1.961
#16
Hi Tommy, interessante Antwort :)

Ich habe gestern noch mit meiner Mutter telefoniert und sie dazu befragt. Sie definierte den Selbstwert interessanter Weise in Bezug auf die Gesellschaft. Also sie meinte für sie sei Selbstwert sich bewusst zu sein, dass man ein wertvoller Mensch ist, der seinen Teil zur Gesellschaft beiträgt und zu wissen, dass Schwächen in einen Bereichen durch Stärken in Anderen ausgeglichen werden. Der Definition nach wäre also ein niedriger Selbstwert, wenn man sich seiner Schwächen mehr bewusst ist als seiner Stärken und sich dadurch als wertloser einstufen würde, als andere Menschen. Fand ich auch interessant. Als ich mich auf das Beispiel mit Frauen, die von ihrem Mann geschlagen werden, bezogen habe, hat sie nochmal zwischen Selbstwert und Selbstachtung unterschieden - meinte aber auch, dass das sowieso nicht so einfach zu beantworten sei. Sie ist allerdings auch keine Psychologin ;)

Bei dir würde mich interessieren... Hast du schon immer einen niedrigen Selbstwert gefühlt, oder haben dich andere Leute darauf hingewiesen, dass du einen haben musst, sonst würdest du x,y nicht machen?
Du sagst du hast gelernt Grenzen zu setzen. Würdest du sagen, dass dadurch dein Selbstwert nach oben geht, oder würdest du sagen du hast deinen Selbstwert irgendwie nach oben gesetzt und bist jetzt in der Lage Grenzen zu setzen?
Was würdest du aus deiner Erfahrung sagen, wäre denn ein Weg seine Kinder zu gesunden Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen? Würdest du sagen, ein Mensch, der von seinen Eltern nie Zurückweisung erfahren hätte, käme in der Gesellschaft besser zurecht?
Und was würdest du sagen, wie sind Menschen, die deiner Definition nach dann einen sehr sehr hohen Selbstwert haben? Angenehme Leute? Denn ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der nicht in irgendeiner Form auf Bestätigung von Außen angewiesen ist.
 
Dabei
17 Mai 2015
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#17
Da habe ich kenerlei Erfahrung, aber es heisst ja, das Frauen, die von ihren Männern geschlagen wurden, oft wieder an solche Männer geraten...

Also mein Selbstwert erstarkte doch sehr, als ich nach längerer Zeit beschloß, es doch mal wieder beim anderen Geschlecht zu versuchen.
Erst hielt ich mich für unattraktiv, zu dick, zu.....na ja, eben unattraktiv.
Ich rechnete mir nicht so gute Chancen aus, aber es kam anders.

Ich ging unter Leute, überwand meine Schüchternheit und lernte kurz darauf die erwähnte Frau kennen, wir kamen zusammen.
Ich war natürlich total begeistert, das diese tolle Frau sich für mich interessierte.
Dann erhöhte sich mein Selbstwertgefühl, denn ich hielt das alles für unglaublich kompliziert.
Ich hielt mich für keinen guten Liebhaber, aber auch da lag ich falsch, ich bekam und bekomme tolle Komplimente, das tat sehr gut und machte mich sicherer.
Leider hielt diese Beziehung nicht sehr lange, die Dame sagte damals, ich wäre ihr zu unreif, zu "Jungenhaft" und sie wollte nicht den "Mutterersatz" spielen.
Aber auch, das sie noch nie so einen liebevollen Mann wie mich hatte, das ich sensibel und einfühlsam bin und darauf stolz sein könne.
Ich fühle mich, seit dem ich denken kann, immer zu starken, dominanten Frauen hingezogen, und sie sagte mir, dass ich ihrem Vater in jungen Jahren sehr ähnlich sehe.

Ich denke heute, ich weiss ,was ich in eine Beziehung einbringen kann, dass das sehr wertvoll ist, aber auch, dass das nicht genug ist.
Es ist fast genug.
Mir fehlt möglicherweise diese Entschlossenheit, das Durchsetzungsvermögen, das ich im Beruf und in anderen Dingen ja zeige, in Beziehungen so schwer fällt und ich dort häufig aufpassen muss, nicht in alte Handlungsschemata zu verfallen.
Also unterwürfig zu werden.
Ich habe das sogar mal ausprobiert, ob ich soetwas auch sexuelle erregen könnte.
Durch Zufall lernte ich ein Frau kennen, die mir mal eine Unterweisung gab.
So eine Art BDSM-Einstieg.
Das hat mir aber nichts gegeben, tat nur weh.

Zu deinem letzetn Absatz möchte ich ertmal nichts schreiben, denn dazu fehlt mir als Kinderloser einfach jegliche Erfahrung.
Aber ich denke, man sollte einen Mittelweg finden.....
 
Dabei
5 Jun 2015
Beiträge
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#18
Was mir dazu einfällt...
ich habe nun mit meinen 65 Lebensjahren eine recht lange Liebes und Beziehungszeit hinter mir, auf die ich zurückblicken kann und sage für mich,
dass mein "Selbstwertgefühl" sretig gewachsen ist,
und somit auch meine Ansprüche an Umgangsformen in allen Lebensbereichen.

Doch die Theorie deines Youtoube Vortrages hat sicher auch einen wahren Kern.
Es hängt nach meinen Beobachtungen sehr von den persönlichen Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen ab,
sein 'Ich' zu reflektieren und zu beobachten und zu analysieren was er ist,
wie er ist, was er wirklich möchte, was er für Fähigkeiten hat, was für Schwächen,
wie er mit Begabungen und Handycaps umgehen lernen kann und wo er seine Prioritäten für sein Leben setzt.
Ob und wie viel wir in der Lage sind uns sozusagen selber zuzuschauen und entsprechende Konsequenzen aus unseren eigenen Handeln, bedingt durch erworbene Vorstellungen zu ziehen hängt sicherlich von vielen Faktoren ab.
Natürlich haben es die Menschen am einfachsten, die eine liebevolle und zum Wachstum ermöglichende Kindheit erlebt haben.
Menschen um sich hatten, die ein hohes Niveau an Selbstbestimmtheit und Reflektion vorgelebt haben.
Wenn das nur unzureichend stattgefunden hat, werden natürlich die negativen 'Prägungen' erst einmal einem sehr bewußten und autonomen Leben recht hinderlich sein.
Dann sind wir unabhängig von Konditionierungen in der Kindheit ja auch noch unterschiedlich stark mit Begabungen ausgestattet.
Der oder die Eine ist mehr der denkende Typus, der oder die Andere ist mehr der machende und braucht entsprechend länger um sich selbst 'auf die Schliche' zu kommen.
Da kann es dann wirklich lange dauern oder gar unmöglich werden,
Konditionierungen und tief verankerte Vorstellungen von sich und der Welt aufzulösen oder umzuprogrammieren.
Diese Menschen bleiben dann sicherlich bei einmal festgefahrenen Verhaltensformen und neigen dazu, das Übel im Außen zu suchen und Gesellschaft und Welt für ihre immer wiederkehrenden Frustationen verantwortlich zu machen.

Ich habe in einem Training für Improvisationstheater eine spannende Übung machen dürfen.
Sie heist Statusübung.
Ich begegne meiner Umwelt im 'Hochstatus' also von oben herab.
ich bestimme die Begegnung.
ich bin der Chef, der dominante Part, ich erteile Aufträge ich bewerte, ich stelle Ansprüche.

ich begegne meiner Umwelt auf 'Augenhöhe.
Ich nehme mich und mein Gegenüber war, ich reflektiere was geschieht und mache Angebote und nehme Angebote an.
ich bin empathisch und weiß gleichzeitig was ich will und was mir gut tut.

Ich bin im Niederstatus.
ich richte mein Verhalten nach dem Gegenüber, ich warte ab und erhalte Aufträge, ich passe mich an und bemühe mich einen guten Eindruck zu machen.

die klassische Psychologie nennt das bekanntermaßen "Kindheitsich, Erwachsenenich und Elternich.

Wir alle wechseln sicherlich mehr oder weniger in diesen Haltungen in vielen Situationen hin und her.

Für mich ist es das Ziel, mir immer bewußt zu sein, was ich da gerade veranstalte.
Dann gibt mir letztendlich der Erfolg oder mein gutes Gefühl recht.
Wenn es sich auf Dauer nicht gut anfühlt, in bestimmten Situation, läuft was falsch und muß reviediert werden.

Selbstbewußtsein und Selbstwert gehen Hand in Hand.

Wir Menschen sind zutiefst soziale Wesen und es entspricht uns, dass es uns gut geht, wenn es dem Anderen gut geht.

oberstes Spielgebot beim Improtheater ist: es ist ein gutes Stück, wenn es beiden (allen) gut gegangen ist, beim Sketch.

ich glaube an die Lernfähigkeit ......
 
Dabei
17 Mai 2015
Beiträge
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#19
Das ist genau das, was ich auch denke, sich seiner Selbst bewusst zu werden.
Wer bin ich?
Warum tu ich, was ich tue?

Gnoti seauton!
Erkenne dich selbst!

Seit meinem "Damaskuserlebnis" (Siehe den Thread mit der Jugendfreundin) hat sich meine Leben unwiderbringlich verändert.
Ich habe begonnen, mich selbst zu analysieren, was kann ich?
Was sind meine Begabungen?
Was kann ich einer potentiellen Partenerin/Partner geben?
Was sind meine Bedürfnisse?
Was könnte mir eine Partnerin geben?
Wie möchte ich von anderen wahrgenommen werden?

Ich bin ein Mann, ich bin sensibel und einfühlsam, das ist gut so!

So könnte es ja gehen, das Leben ist ein ständiges Lernen, die einen lernen schnell, die anderen langsam, einige, wie ich, müssen das, was andere im ganzen Leben lernen, in kurzer Zeit nachholen....

Viele Menschen mit niedrigen Selbstwetrgefühl finden sich dort, wo man sie am wenigsten vermuten würde.

Z.B Micheal Jackson, der große Star, der Millionen von Fans hatte, war ein hochsensibler, melancholischer Mensch ,der immer um Anerkennung geradezu bettelte.
Er zeichnete mal ein Bild von sich als kleinen Jungen der in einer Ecke eines Zimmers hockte: "Accept me for who i am." stand da drunter.
Aber er hat auch einen sehr zu diesem Thema passenden Song geschrieben: "Man in the Mirror."

Oder ein gewisser Brian Warner, der in Schule immerzu gemobbt wurde, kaum Anerkennung bekam und irgenwann eine Band gründete, nämlich "Marilyn Manson and the spooky Kids".
auch hier ein hochsensibler, hoch selbstreflektiver Mensch, der sich seiner Rolle in der Gesellschaft bewusst ist.
Er sah sich als immer neue Form seines eigenen Ichs.

Ich denke, cybele hat mal wieder in der ihr eigenen Art alles dazu geschrieben.
 
Dabei
6 Feb 2017
Beiträge
1.961
#20
Danke für die neuen Antworten ;)

Das mit der Impro-Übung auf drei verschiedenen Ebenen fand ich super interessant. Denkt ihr, dass man von Außen betrachtet Rückschlüsse auf den Selbstwert einer Person beziehen kann abhängig davon, wie sie sich verhält?
 
Dabei
6 Mrz 2013
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7.811
#21
Also ich glaub immer mehr, dass es darauf ankommt, dass man das Gefühl hat, DASS man einen Wert hat. Es ist doch keiner mehr oder weniger "wert" als ein anderer. Also der einzige Rückschluss den ich ziehen könnte ist der ob dem anderen bewusst ist, dass er einen Wert (wie jeder Mensch) hat.
 

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