Vom Umgang mit Trauer und Leid - Ein Amoklauf

Dabei
5 Nov 2007
Beiträge
6.504
Alter
83
#1
Nicht nur durch die räumliche Nähe, auch weil ich selber mal 32 Jahre lang Lehrer an einer großen Schule war, beschäftigt es mich, dieser unfassbare Amoklauf.

Ich bin sprach-und ratlos. Habe keine Erklärungen. Und schon gar keine Antworten.

Allenfalls Fragen: Wie sind so große Schulen aus der Sicht eines Lehrers oder Schulleiters noch kontrollierbar? Kann ein Lehrer/Lehrerin, wenn er jedes Jahr min 100 neue Schüler hat, seine Schüler überhaupt näher kennen? Was in ihnen vor geht?

Aber warum kennen offenbar Eltern ihre eigenen Kinder nicht? Was sie beschäftigt, was in ihnen vor geht? Wo sie ihre Kinder viele Jahre lang täglich sehen und erleben?

Wie geht es euch? Wie geht ihr mit Trauer und Leid um?
 
Dabei
28 Feb 2008
Beiträge
1.605
#2
Der Amoklauf war ja ganz in der Nähe von mir und es war zunächst nicht klar, ob ein Angehöriger unter den Opfern war. War er nicht, zum Glück. Es hat mich tief erschüttert, so eine Tat ist wie du schon sagst, unfassbar, unerklärlich und... mir fehlen die Adjektive.
Ich glaube allerdings, dass die Schulen dabei recht machtlos sind. An meiner Ex-Schule gab es ein Kriseninterventionsteam, die sich genau zu solchen Szenarien Gedanken gemacht haben. Verhindert werden kann sowas dadurch allerdings nicht.
Ich denke, man muss da im Elternhaus ansetzen, denn dort fand die meiste Erziehung statt, dort wächst der Mensch zu dem heran, was er im Erwachsenenalter ist.
Aber es ist eine sehr schwierige Frage und wenn es schon ein Patentrezept geben würde, gäbe es diese Amokläufe nicht mehr. Die Gesellschaft hat noch viel vor sich.
 
Dabei
7 Jan 2009
Beiträge
699
#3
Mir tun vor allem die Hinterbliebenen leid.

Ich denke, dass der Amoklauf dadurch verhindert hätte werden können, dass der Täter anders mit seiner Situation/seinen Gefühlen umgegangen wäre (denn er hatte die Tat ja bewusst geplant, so weit ich weiß). Und sein Leid - und das vieler anderer, die deswegen nicht Menschen abknallen - dadurch, dass viele Menschen mal überdenken, ob ihnen die Gefühle anderer weiterhin am Allerwertesten vorbeigehen sollten. Aber diesen Tim seh ich hier nicht als das Opfer! Er hat unschuldige Menschen (die Familien und Freunde der Erschossenen) bewusst in Leid gestürzt...

Noch zu deinen Fragen...
"Wie sind so große Schulen aus der Sicht eines Lehrers oder Schulleiters noch kontrollierbar?"
Kontrolle ist denk ich nicht der richtige Ansatz...

"Kann ein Lehrer/Lehrerin, wenn er jedes Jahr min 100 neue Schüler hat, seine Schüler überhaupt näher kennen? Was in ihnen vor geht?"
Er/sie sollte sich zumindest darum bemühen. Und ich denke, daran hapert's vielerorts noch sehr.

"Aber warum kennen offenbar Eltern ihre eigenen Kinder nicht? Was sie beschäftigt, was in ihnen vor geht? Wo sie ihre Kinder viele Jahre lang täglich sehen und erleben?"
Wohl in den meisten Fällen mangelndes Interesse oder Unfähigkeit.

"Wie geht es euch? Wie geht ihr mit Trauer und Leid um?"
Ich bin eigentlich nur den Tränen nahe, wenn ich gerade die Bilder in Fernsehen sehe... Hauptsächlich tun mir einfach nur die Opfer leid - wobei ich bei den Opfern hauptsächlich an die Hinterbliebenen denke, wie gesagt.

Den Umgang der Menschen untereinander fand ich auch schon vor dem Amoklauf schlimm. Von daher macht das dahingehend keinen Unterschied.

(*daraufwart,dassKinchsagt,eswareinMassenmord*:))
 
B

Bluefox

Gast
#4
Ich bin sprach-und ratlos. Habe keine Erklärungen. Und schon gar keine Antworten.

Mein Lieber bist Du sicher das Du sprach- und ratlos bist!? Oder willst Du es nicht aussprechen? Du weißt was ich meine! Gerade Du der mal Lehrer gewesen bist müßtest am besten wissen warum es zu solchen Vorkommnissen in den letzten Jahren kam!

Ich geb Dir mal nen Denkanstoß: Umgang/Verhältnis Lehrer<->Schüler, Disziplin, Status eines Lehrers hier in Deutschland....usw.

Wenn hier in Deutschland nicht langsam eine Veränderung geschieht undzwar in den Bereichen Politik bis hin zu Familien, dann werden in Deutschland noch viele solche Tragödien stattfinden!

Schau Dich doch mal um! Wie leben denn viele, wenn überhaupt von leben die Rede sein darf. Dieses Land geht doch seit Jahren jämmerlich den Bach hinunter!
 
Zuletzt bearbeitet:

Spencer

Gesperrt
Dabei
12 Feb 2009
Beiträge
204
#5
Wenn hier in Deutschland nicht langsam eine Veränderung geschieht undzwar in den Bereichen Politik bis hin zu Familien, dann werden in Deutschland noch viele solche Tragödien stattfinden!

Schau Dich doch mal um! Wie leben denn viele, wenn überhaupt von leben die Rede sein darf. Dieses Land geht doch seit Jahren jämmerlich den Bach hinunter!
Welches Land auf dieser Erde geht denn nicht den Bach hinunter? Und alle marschieren brav mit. Oder besser ausgedrückt: sie rennen wie Lemminge in einer Herde anderen, ihren "Gleichgesinnten", hinterher, unfähig eigene Gedanken großzuziehen, sich von den total verirrten Massen abzunabeln.

Die Ursache des Übels ist nicht bei der Politik, in der Wirtschaft u.ä. zu suchen, denn sie liegt viel tiefer... Doch damit will heute kaum jemand beschäftigen, man will nur an der Oberfläche kratzen und nur das als wirklich bestehend anerkennen, was man sieht und messen kann. Dabei geht man am Kern und an der treibenden Kraft aller äußerlich sichtbaren Handlungen vorbei.

Die Gedanken... was weiß diese ignorante Menschheit überhaupt darüber? Nichts. Und doch ist jeder Mensch ein Produzent von Gedankenformen, die tatsächlich bestehen, nur auf einer anderen, für uns unsichtbaren, weil feineren Ebene. Der jeweilige Gedanke nimmt dort eine ganz bestimmte Form an! Diese Form bleibt mit seinem Erzeuger verbunden, bewegt sich aber gleichzeitig durch das All und vereinigt sich mit anderen ähnlichen Gedankenformen, wodurch Ansammlungen oder Gedankenzentralen entstehen, welche dauernd auf die jeweiligen Gemüter solcher Menschen einwirken, die gleiche oder ähnliche Gedanken hegen! Damit werden diese Personen auch zu konkreten Tätlichkeiten gedrängt, weil durch die Konzentration und Verdichtung ein grober Niederschlag aus dieser Gedankenwelt entsteht, welcher sich zuletzt als grobstofflich-sichtbare Tat auslöst. Der Täter wird in einem solchen Fall nicht nur von seinen eigenen Gedanken getrieben, sondern auch von Gedanken aller derer, die durch ihr schlechtes Denken daran mitgewirkt hatten. Somit werden alle diese Menschen mitschuldig an dem Verbrechen. Und wie viele Menschen sind von Haß- und Neidgedanken geradezu besessen, nähren sie dauernd in sich ohne sich dabei äußerlich strafbar zu machen! Und doch sind sie an vielem beteiligt, was andere unter dem Einfluß ihrer Gedankenformen ausführten. Die Terroranschläge vom 11. September und der jüngste Amoklauf haben weit mehr Gemeinsamkeiten als man denkt. Und weit mehr Täter als offiziell angenommen. Und so ist es mit allen Kriegen, Anschlägen, Raubüberfällen, Morden, Vergewaltigungen und anderen Scheußlichkeiten. Besser kann es nur werden, wenn jeder bei sich anfängt und sich endlich die Mühe gibt den Herd eigener Gedanken rein zu halten. Je mehr Menschen dies tun, desto größer wird der Erfolg sein, desto weniger Verbrechen werden künftig geschehen müssen. Doch wer will noch dieses von mir geschilderte Wissen verinnerlichen und bewusst einsetzen? Man ist gewohnt nur "in der Erde zu wühlen", und alles was außerhalb liegt, und doch mit dieser gröbsten Materie so eng verbunden ist, interessiert kaum jemanden, obwohl manches davon inzwischen sogar wissenschaftlich nachgewiesen wurde...
 
Dabei
5 Nov 2007
Beiträge
6.504
Alter
83
#6
Mein Lieber bist Du sicher das Du sprach- und ratlos bist!? Oder willst Du es nicht aussprechen? Du weißt was ich meine! Gerade Du der mal Lehrer gewesen bist müßtest am besten wissen warum es zu solchen Vorkommnissen in den letzten Jahren kam.....
Nein, ich weiß nicht, was du meinst. Sicher viele Vermutungen, was du meinen könntest. Aber ich möchte da nicht spekulieren.
 

dili

Moderator
Dabei
18 Feb 2008
Beiträge
640
Alter
37
#7
Ich bin so dankbar, dass du das Thema einmal ansprichst nic, vielleicht habt ihr ja gemerkt, dass ich mich in den letzten Tagen abgekapselt habe ... genau aus diesem Grund - ich habe viel überlegt, geredet, ich wusste nicht so ganz, wie ich damit umgehen soll.

Genau als es passierte, hatte ich meine Prüfung zum ersten Staatsexamen für Lehramt an Realschulen ... wie paradox diese Welt ist. Während der Prüfung hörte ich die ganzen Sirenen und habe schon irgendwie gespürt, das etwas schlimmes passiert ist.

Alle 3 Lehrerinnen kommen von meiner PH ... 2 davon kannte ich, eine sogar gut. Jetzt plötzlich wird einem bewusst, das die Gefahr so nahe ist. Vorher war immer alles soweit weg, jetzt ist es da.

Warum kommt es dazu?

Erstmal möchte ich kurz sagen, dass Lehrer oftmals nicht faul sind. Viele Menschen sehen nur die Zeit in der Schule - von 8 uhr bis 14 uhr oder so... aber dazu kommen noch Korrekturen, Vorbereitungen, Elterngespräche, Planung von Projekten, Ausflügen... das sieht keiner. Ich sitze dann oftmals bis 21 oder 22 Uhr noch da, nur um irgendwie zu versuchen, den besten Weg zu entwickeln, wie die Kleinen das verstehen können :) Aber ich liebe das, und nichts in der Welt wird mich davon abbringen. Auf Grund all dieser Sachen, dem straffen Stoffplan (hier Bildungsplan) und den kurzen Pausen gibt es keine Chance, viel mit den Schülern zu reden.

Und hier liegt das große Problem unserer Gesellschaft: Es geht nur noch um Leistung - und wer das nicht schafft, der bleibt liegen. Es wird nur noch gefordert, gefordert, gefordert. Und die Ansprüche werden immer höher. Was Schüler heute in der Realschule leisten müssen, war zu meiner Zeit - und das ist erst 3 Jahre her- Gymnasialniveau. Da stimmt doch was nicht! Es gibt nicht wirklich einen Plan, wie man überforderten Schülern helfen soll - und durch maßlos überfüllte Klassen kann auch ich als Lehrer schlecht auf jeden Schüler einzeln eingehen. Ich würde es mir wünschen, wenn es Klassen mit höchsten 15-20 Schülern geben würde, mehr Lehrer, mehr Zeit, auch mal eine Stunde am Tag, in der man gemeinsam reden kann und paar Kekse essen oder sowas. Was ich auch wichtig finden würde, wäre eine Stunde für Soziologie oder sowas. Wo man über Verhalten, Probleme spricht. Aber dafür hat keiner Geld. Das steckt man ja lieber in kaputte Unternehmen. Außerdem müssen die Schüler ja lernen, wie Meiose und Mitose funktionieren und Funktionsgleichungen aufstellen. Aber lernen, wie man sich in bestimmten Situationen verhält, wie man ein Konto funktioniert oder richtig einkaufen geht - das lernt keiner. Zum Glück studiere ich Politikwissenschaften, ein sehr freies Fach, in dem ich oft mit den Schülern diskutieren kann und in dem es nicht allzu feste Vorschriften gibt. So lernt man die Schüler kennen.

Ich war bereits an 6 verschiedenen Schulen - und nur an einer durfte ich mich überhaupt vorstellen und auch die Kinder sich vorstellen lassen - denn ich finde es wichtig, das man sich kennen lernt, man ist ja auch neugierig aufeinander - an den anderen Schulen war keine Zeit für 15 Minuten "verschwendete Zeit".

Ich habe in den letzten Tagen beschlossen, dass ich eine psychologische Zusatzausbildung machen werde, sodass ich dann als Vertrauenslehrerin arbeiten kann.

Trotzdem wird es immer häufiger zu solchen Taten kommen, wenn nicht endlich was getan wird. Leider denke ich, das sich die Lage nur noch verschlimmert.

Liebe Grüße,
dili
 
Dabei
5 Nov 2007
Beiträge
6.504
Alter
83
#8
Ich bin so dankbar, dass du das Thema einmal ansprichst nic, vielleicht habt ihr ja gemerkt, dass ich mich in den letzten Tagen abgekapselt habe ... genau aus diesem Grund - ich habe viel überlegt, geredet, ich wusste nicht so ganz, wie ich damit umgehen soll........
Hallo liebe dili,
ja, zumindest mir ist aufgefallen, dass du hier einige Tage ausgeblieben bist.

Und laß dich nicht entmutigen. Gerade die Schule lebt davon, dass es immer wieder neue Lehrer gibt, die sich einsetzen und nicht aufgeben. So gibt es Hoffnung.
 

Ähnliche Themen


Oben