Mein Freund und sein anderes ich

Dabei
29 Mai 2010
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#1
Hallo.

Ich habe das Gefühl, mit 2 verschiedenen Menschen zusammen zu sein.
Ich möchte lernen, mit dem anderen umgehen zu können, mit dem Depressiven, überforderten annderen Ich meines Freundes.

Ich möchte ein paar weitere Strukturen erkennen und somit unsere Beziehung entlasten.

Ein ganz typisches Beispiel:

Gestern haben wir uns auf einen Spaziergang getroffen. Ich wusste
vorher ansatzweise, dass er "ein bißchen durchhängt". Jedenfalls
saß er zu Hause und hat sich beschäftigt. Ich habe ihn gefragt, weil
ich was auf dem Herzen hatte, was mit meinen Eltern zu tun hat (also nicht mit ihm). Und zwar direkt. "Hey, können wir uns treffen, mir gehts nicht so........".
Sowas überrumpelt ihn manchmal, er sagt, ich bin ein wenig zu direkt,
würde nicht so genau fragen, wies ihm geht, würde nicht genau gucken, ob es überhaupt einen Sinn für mich mache, mit ihm spazieren zu gehen.

Damit fühle ich mich aber überfordert. Am Telefon wars so wie...er:"Ich habe Angst, nicht genug für dich da sein zu können, Angst, dass du dich zurückgewiesen fühlst, aber gegen einen Spaziergang habe ich nichts".
Meine Reaktion: "Dann habe ich jetzt auch ein wenig Angst, ich weiß nicht genau, wie ich das entscheiden soll". Er: "Ich auch nicht". Wenig später
rief er an: "komm, lass uns gehen, lass uns einen Spaziergang machen". Er hatte also entschieden. Ich war froh, dass ich es nicht machen musste.

Das Reden von so vielen Ängsten kommt manchen von euch vielleicht merkwürdig vor. Jedoch haben mein Freund und ich die Erfahrung gemacht, dass wir vorsichtig sein müssen, dass zu viele Erwartungen im Spiel sind manchmal, Situationen sind eskaliert.

Am Ende des etwas krampfigen Spaziergangs war es wieder so weit. Ich
hatte das Gefühl, mir einen Vorwurf anhören zu müssen, den ich nicht verdient hätte. Er: "Was soll das Ganze, wieso gehen wir überhaupt spazieren, wieso treffen wir uns, für dich ist es überflüssig und für mich schmerzhaft". Dann wollte er gehen, in "Seine Welt". Ich, überfordert fragte ihn noch typischerweise, wie so oft:"Kann ich dir irgendwie helfen?". Kurzschlussreaktion.Mitleid, ich weiß es nicht. Jedenfalls ging er dann in "seine Welt" und ich ließ ihn.

Ich weiss, dass er unter der Angst leidet, ich würde ihn irgendwann verlassen, weil ich merke, dass es nicht reicht, dass er nicht immer für mich da sein kann.

Dabei glaube ich garnicht, dass man immer für jemanden da sein kann/muss. Ich glaube, man kann nur für jemanden da sein wenn man genügend Energie übrig hat. Ob man nun unter Depressionen leidet, oder nicht.

Ich wünsche mir für meinen Freund und mich, dass wir uns gegenseitig unterstützen können. Er hat dieses andere ich. Wenn er "wach" ist. Wenn nicht alles schwarz ist. An solchen Tagen fühle ich mich aufgehoben wie nirgends anders.

Ich wünsche mir für ihn, dass er nein sagen darf, wann immer er will. "Nein, ich kann nicht". Ich könnte dann sagen:"Das macht nichts, ich rufe eine Freundin an.". Das wünsche ich mir. Aber ich glaube er denkt, er muss. Immernoch.Ich möchte ihm so gerne zeigen, dass er nichts muss. Er ist immer wieder von sich enttäuscht und am Ende auch von mir, da er von mir das Bild hat, ich würde viel fordern. Dabei wäre dieses Bild wohl garnicht so ausgeprägt. hätte er genug Mut, mir gegenüber nein zu sagen, wenns mir mal nicht gut geht.

Ich bin jedoch auch nicht perfekt, manchmal sag ich dann, wenn er nein sagt vielleicht etwas enttäuscht und mit gesenkter Stimme."ok..." . Dann gehen gleich bei ihm die Alarmglocken an: "oh nein, ich bin nicht genug, ich muss jetzt doch kommen". Am Ende ist das dann aber wieder zu viel für ihn. Wenn er freiwillig für mich da sein kann, dann wäre es auch bestimmt nicht so oft so krampfig. Ich habe den Wunsch, ihn erlösen zu wollen. Aber nicht von seiner Depression. Die ist da, sie gehört zu ihm. Sondern von seiner Angst, ich könnte mich entlieben oder würde ihn irgendwann verlassen. Ich wünsche mir, dass er er selbst sein kann, in all seiner scheinbaren "Unperfektheit". Und ich wünsche mir, dass ich ich selbst sein kann, in all meiner Unperfektheit, zum Beispiel enttäuscht sein, ohne, dass er denkt "Oh Gott, bald verlässt sie mich".

Ich danke euch fürs Durchlesen und bin gespannt, was euch wohl so einfällt.

guitar86
 
Dabei
21 Dez 2009
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#2
warum redest du nicht einfach gleich mit einer freundin, wenn du weißt das er (anscheinend generell) damit überfordert ist. belaste ihn einfach garnicht erst damit.

Hallo.
Dabei glaube ich garnicht, dass man immer für jemanden da sein kann/muss. Ich glaube, man kann nur für jemanden da sein wenn man genügend Energie übrig hat. Ob man nun unter Depressionen leidet, oder nicht.
guitar86
ich stimme dir zu. das solltest du ihm auch zugestehen.
 
Dabei
29 Mai 2010
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#3
Weil ich ja nicht der total passive Part sein kann, der immer darauf wartet, dass er sich meldet.
Außerdem kriege ich das merkwürdige Gefühl, wenn ich ihn nicht anrufe, im Stich gelassen zu werden von ihm.
Ich möchte das Gefühl haben, dass ich mich an meinen Freund wenden DARF. Und er soll das Gefühl haben, dass er dann aber nicht gleich dasein MUSS.
 
Dabei
21 Dez 2009
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#4
hat er denn gesagt, das du dich nicht bei ihm melden sollst ?? der letzte satz ist gut, solltes du ihm vielleicht auch mal genau so sagen...
 
Dabei
29 Mai 2010
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#5
das problem ist, ich habe es ihm schon oft gesagt. manchmal aber nicht gezeigt. zum beispiel am anfang unserer beziehung, als ich sein depressives wesen noch nicht so gut einschätzen konnte.
er sagt, ich kann ihn immer anrufen, wenn ich nicht erwarte, dass dann auch passiert, was ich mir wünsche. Das ist, wie gesagt, auch ganz mein Wunsch. Nur wenn ich ihm immer zeigen müsste, dass es ok ist, wäre ich damit überfordert. Ich stünde unter einem extremen Druck, müsste ich immer Rücksicht auf IHN nehmen. Ich möchte auch nicht perfekt sein, d.h. vielleicht MANCHMAL enttäuscht reagieren dürfen. Ich möchte nur nicht, dass wir dann ewig diskutieren müssen.
 
Dabei
21 Dez 2009
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#6
musst du denn alles mit ihm besprechen ? muss er dir erst sagen, das er nicht kann, bevor du dich an eine freundin wendest...?
 
Dabei
29 Mai 2010
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#7
wie meinst du das genau? meinst du,ob ich immer erst ihn wähle bevor ich eine freundin auswähle oder meinst du ob ich ihn vor die entscheidung stelle und er somit das gefühl haben könnte, alleine entscheiden zu müssen?
 
Dabei
21 Dez 2009
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#8
ich meinte ersteres, allerdings hat deine zweite vermutung auch etwas damit zu tun. er könnte es so auffassen, das er entscheiden muss.

du hast dir einen mann ausgesucht, der offenbar krank ist und da musst du dich einfach oft hinten anstellen, sonst würde es garnicht funktionieren. ich glaube auch nicht, das du das so groß ändern kannst. bekommt er denn professionelle hilfe ??? vielleicht wäre es hilfreich, wenn du auch mal mit einem profi darüber reden würdest !
 
Dabei
30 Jun 2010
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#9
Liebe Guitar,

wer mit einem psychisch kranken Partner zusammen ist, wird keine normale Beziehung führen. Es wird immer ein Ungleichgewicht und sehr viele emotionale Störungen geben. Eine solche Beziehung befasst sich nur selten mit ganz normalen Problemen. Es sind immer Ausnahmeprobleme, die es in normalen Beziehungen gar nicht gibt.
Vielleicht solltest Du mal in Foren lesen, die den Schwerpunkt "Depression" haben .... dort kannst Du Dich mit Frauen austauschen, die in ähnlichen Beziehungen stecken.
Du solltest versuchen, Deinen Freund dazu zu bewegen, dass er sich behandeln lässt. Depressionen sind eine Krankheit, die selten von allein besser werden. Wenn Du eine Chance auf eine halbwegs normale Beziehung mit ihm haben willst, sollte er ärztlichen Rat suchen.
Es ist falsch, was Du schreibst - die Depression gehört zu ihm........ Die Depression ist eine Krankheit und gehört behandelt. Genauso wie Krebs oder sonst ein anderes organisches Leiden. Wenn die Depression behandelt wird, hast Du das daraus resultierende Kommunikationsproblem mit ihm vielleicht gar nicht mehr.
Grüße
Nelly
 
Dabei
29 Mai 2010
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#10
das stimmt, das könnte ich mal machen, in so ein forum reinschauen. und ja, vielleicht hilft es einfach, anzuerkennen, dass es nunmal schwierig ist bei uns und vielleicht wünscht man sich oft zu sehr normalität, die es aber mit IHM nicht geben kann. dabei will ich ja IHN.

er hat schon 10 therapien, auch langzeittherapien, also solche, wo man auch wohnt, hinter sich.
er fühlt sich übertherapiert.daher war es immer schwierig, mit ihm über das thema therapie zu sprechen und es kam selten auf. allerdings äußerte er tatsächlich zum 1. mal vorgestern oder so, jedenfalls nachdem ich den thread eröffnet habe, dass er gerne wieder eine therapie machen würde. jetzt hoffe ich, ihn bei dem gedanken unterstützen zu können. jeden tag drauf ansprechen bringt bei ihm nichts. er blockt ab, will in ruhe gelassen werden. er ist momentan so richtig am ende. seit ein paar monaten. es ist ein balanceakt zwischen ihm helfen und selber nicht zu sehr leiden.

@vamuja: es stimmt, ich wende mich oft an ihn, vielleicht weil ich mir so sehr normalität wünsche. er hat mir gerade vorgestern oder vor 3 tagen von einem gefühl der bedrängnis erzählt und es war gut, dass wir so offen reden konnten. mir fehlt einfach nur so sehr was. ich war jetzt 3 tage mit unterbrechung bei ihm. die stimmung schwankt zwischen Verzweiflung, Hass (nicht mir gegenüber) zu Liebe zu Entschuldigungen (Mir gegenüber), Rechtfertigungen zu seinem Verhalten (Ihm und mir gegenüber). Dazu kommt ein ausgeprägtes Suchtverhalten. Er raucht, also kifft viel. Gleichzeitig erzählt er davon, wie sehr er sich wünscht damit aufzuhören, ein gesunder Mensch zu werden (Nicht mehr so stark unter den Depressionen zu leiden). Mit dem Kiffen verdrängt er natürlich seine Probleme und so wird auch der Gang zum Therapeuten oder zur Therapie hinnausgezögert.

Ich stehe fast hilflos daneben. Er ist so JUNG, so SCHÖN, so TALENTIERT und er hat so tolle TRÄUME! Und das alles geht verloren durch seine kranke Seele. Wie selten erleben wir glückliche Tage und wie oft hängt Verzweiflung in der Luft. Ich bin fast am Ende meiner Kräfte.

soweit erstmal.......
 
Dabei
10 Jan 2009
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#11
Das Kiffen trägt sicherlich auch dazu bei, dass seine Stimmungsschwankungen bzw. Depression so ausgeprägt ist. Wenn er sich nochmals in Therapie begeben sollte, dann ist es wichtig, dass auch diese Sucht dort mitbehandelt wird. Soweit ich weiß, gibt es auch immer für Angehörige von Depressions-Patienten Anlaufstellen. Denn für Dich ist es ebenso wichtig, professionell beraten zu werden, um richtig mit ihm und der Situation umgehen zu können.

Ansonsten kann ich Dir leider nicht viel raten. Ich denke, Du musst damit leben können, dass er so ist und abwarten ob er sich Hilfe holt und sich dadurch etwas ändert. Und wenn er das nicht tut und Du feststellst, dass Du es nicht akzeptieren und nicht damit leben kannst, dann musst Du aus dieser Erkenntnis ebenso Deine Konsequenzen ziehen.
 

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