Hallo Klingel,
also ich hab irgendwie Verständnis dafür, dass Du Dich irgendwie betrogen fühlst. Ich denk, da kannst Du nichts für und man kann eben nicht alles - und schon gar nicht alle Gefühle und Gedanken, die so in einem entstehen, willentlich steuern. Von daher: mach Dich mal deswegen nicht verrückt und Dir da auch keine ernsten Vorwürfe. Sei da mal nachsichtig mit Dir. Und mit ihr auch.
Ich muss nochmal was schreiben zu den Verletzungen im Vaginalbereich, die nach der Ansicht mancher auf jeden Fall nachweislich entstehen müssten aufgrund des Verkrampfens. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie das bei mir beim ersten Mal war. Wie gesagt hab ich das ja auch erst so richtig realisiert zwei Wochen nach Vorfall und bis dahin eh nur wie ferngesteuert funktioniert und nichts mitgekriegt. Ich erinner mich aber sehr wohl daran, dass wir mal vor meinen eigenen Erlebnissen über Vergewaltigung eine Schulstunde lang in der Schule diskutiert hatten. Ich und ein anderes ebenfalls ziemlich stark ihre Meinung vertretende Mädchen waren die beiden einzigen in der Klasse, die lauthals die ganze Zeit behaupteten, dass es kein Mann je schaffen würde, gewaltsam in uns einzudringen gegen unseren Willen. Wir sind auch keinen Millimeter von unserer Position abgewichen. Wir gegen den Rest der Welt

- obwohl wir sonst nix miteinander zu tun hatten. Waren nicht mal in der selben Klasse, also muss das im 11. Schuljahr gewesen sein als schon Kurssystem angesagt war. Naja, nicht sehr viel Zeit später hab ich Gegenteiliges lernen müssen. Und jetzt, sehr viel später, hab ich sowas mit meinem Ex-Mann nochmal erleben müssen. Hatte ich ja an anderer Stelle schon mal gepostet. Max... Max weiß eigentlich alles aus meinem Leben. Auch das. Ich erinnere mich an eine Mail an Max, in der ich mich darüber beklagte, dass auch mein Körper irgendwie gegen mich sei. Ich bin quasi nie irgendwie trocken und darum denkt mein Mann immer, ich sei schrecklich geil und er tue mir noch was gutes, wenn er sich gegen mein Nein und meine Gegenwehr durchsetzt.... Was die Vergewaltigungen durch meinen Mann angeht, so gab es jedenfalls nie irgendwelche Verletzungen im Intim-Bereich. Da gabs dann wieder blaue Flecken an anderen Körperteilen... und vor allem seelische Verletzungen, die ich umso schlimmer erlebt habe, je mehr Gegenwehr ich leistete. Je mehr Gegenwehr Du erfolglos leistest in so einer Situation, desto deutlicher wird Dir nämlich, wie hilflos und ohnmächtig Du gerade bist und wie sehr da Grenzen überschritten werden. Nach einem Vorfall mit meinem Mann, (welcher nicht der erste Vorfall war,) bei dem ich alles an Gegenwehr aufbot, was ich leisten konnte - außer ihm in die Eier zu treten, hab ich beschlossen, die Gegenwehr einzustellen in Zukunft, weil das einfach für mich ein noch viel schlimmeres Erleben war als die anderen Male zuvor.
Einige Zeit nach diesem "schlimmsten" Erlebnis mit meinem Mann haben wir mal in einer ganz anderen Situation und Umgebung fernab von zu hause darüber gesprochen und ich hab das klipp und klar Vergewaltigung benannt. Daraufhin war er erstmal geschockt und bestürzt. Ich hatte das Gefühl, er wurde sich überhaupt erstmal bewusst, was er tat. Na jedenfalls fand nach diesem Gespräch ein Umdenken statt. Das Gespräch hatte mehr gebracht als jede körperliche Gegenwehr. Und mein Körper macht was er will in mancherlei Hinsicht und ist von mir da nicht willentlich steuerbar. Es ist ja auch normal, dass sich Brustwarzen bspw. aus anderen Gründen als sexuelle Erregung verhärten. Den Flüssigkeitshaushalt meiner Scheide kann ich jedenfalls nicht willentlich steuern und LEIDER nicht in so einer Situation wie durch trockene Saharra Sand ins Getriebe schleudern. Ich hätte auch da nur Spuren vom Festhalten und groben Anfassen vorzuweisen gehabt. Tatsächlich erlebte ich auch kaum körperlichen Schmerz im Intimbereich beim Eindringen meines Mannes gegen meinen Willen. Seelischen schon. Ich hab aber mal gemutmaßt, dass es vielleicht gerade ne "Abwehrreaktion" meines Körpers ist, um eben Schmerz zu vermeiden, gering zu halten, denn dass so was weh tut hat er ja nun irgendwann doch mal "gelernt". Ich weiß aber nicht, ob das ne tatsächlich mögliche Theorie ist. Bin dem nicht nachgegangen, war nur mal so ein Gedanke, der mir kam, als ich voll verzweifelt mal an Max schrieb.
auf jedenfall anzeigen das ist wichtig . sie bleibt vielleicht nicht die einzige ! das muss sie begreifen .immer anzeigen!
Das war letztlich der Grund, warum ich mich doch noch zur Anzeige entschieden hatte. Ich weiß bei meinem Täter, dass es noch mindestens ein weiteres Opfer gibt, dass ihn aber auch nicht angezeigt hat. Ich meine, 16 Jahre sind ne lange Zeit und es ist wohl viel zu spät, aber irgendwie konnte ich es nicht mehr länger etragen, zu wissen, er läuft ungestraft rum und übt sich womöglich weiter - nur weil wir "bekloppten" Weiber den Mut nicht haben, ihn anzuzeigen. Natürlich weiß ich genau, warum wir ihn nicht angezeigt haben. Er ist z.B. verdammt gut im Einschüchtern. Seine Einschüchterung wirkt durchaus. Aber auch so dachte ich, ich hätte ein Recht dazu, es nicht zu tun und frei zu entscheiden, ob ich ihn anzeige oder nicht. Letztlich hab ich mir seit ich erwachsener bin jahrelang Vorwürfe gemacht, dass ich es nicht habe. Ich hoffe, dass das Ganze jetzt nicht so endet, dass ich mir dann nach dem Verfahren mal jahrelang Vorwürfe machen muss, dass ich es doch habe... Es könnte aber passieren, dass es so kommt. Aus mindestens zwei Gründen.
So lange muß Frau ja auf nen Aidstest nicht warten.
Naja, um sicher zu gehen, kann man meines Wissens nach einen wirklich aussagefähigen aber erst 3 Monate nach möglicher Ansteckung machen. Da wird es dann schon eng mit den gebrachten Beispielen von wegen anderer Erklärungs- /Entschuldigungsmöglichkeiten, warum vorerst nur Sex mit Gummi angesagt ist.
Ich seh Eure Situation wie Kalle und Appie - als Chance, dass Eure Beziehung daran wächst und ihr noch enger zusammen findet, wenn ihr erstmal alles Negative, dass mit diesem Ereignis zusammen hängt, durchlebt habt.
Ich denke auch, dass ihr kommunizieren müsst - finds aber schon mal schwierig, ihr zu offenbaren, dass Du Dich betrogen fühlst ohne dass sie denkt, dass Du an ihrer Aussage zweifelst... Ich wüßte jedenfalls nicht, wie Du DAS hinkriegen könntest und denke aber nach wie vor, dass Du ihr Vertrauen in Dich und ihren Glauben an Eure Bezi auf jeden Fall kaputt machst, wenn Du Zweifel an ihren Aussagen ihr gegenüber erkennen lässt. Ich denke, Du verlierst sie dann auf jeden Fall über kurz oder lang. Das einzige, von dem ich denke, dass Du es Dir "leisten" kannst, ist sie auf Widersprüche in ihren eigenen Aussagen hinzuweisen. Also nein, nicht hinzuweisen sondern nachzufragen. Immer mit dem Unterton, dass Du es ja nur verstehen willst, nicht dass Du zweifelst, Du versuchst es nur zu begreifen und durch Deine Fragen für Dich begreiflicher zu machen. Das wäre meiner Meinung nach die einzige Argumentation, die Du Dir "leisten" könntest.
Ansonsten würde ich Dir wirklich raten, zu versuchen, mit Deinen eigenen Problemen, Gefühlen und Widersprüchen möglichst ohne ihre Hilfe klarzukommen - und Dir woanders, also hier oder beim Psychologen, bei Freunden oder durch Ablenkung Entlastung zu verschaffen. Und mit auf den Weg geb ich Dir noch, dass sich kein Gefühlszustand und kein Gedanke dauerhaft halten kann. Gefühle und Gedanken kommen und gehen, manchmal in Wellenbewegungen und manchmal auch scheinbar immer wiederkehrend, aber irgendwann, wenn man es oft genug gefühlt oder gedacht hat, gehen sie auch von selbst und verschwinden. Es ist also nicht so, dass Du gegen jedes schlechtes Gefühl und jeden schlechten Gedanken in Dir ankämpfen musst. Du kannst durchaus auch mal welche einfach zulassen und so stehen lassen. Tu Dir was Gutes und versuch eher immer wieder bewusst und absichtlich, Dir Situationen zu schaffen, in denen Du Dich gut fühlst oder andere Gedanken hast. Nutz Deine Kraft lieber dafür als sie im Kampf gegen schlechte Gefühle und Gedanken aufzubrauchen und Dich da aufzureiben.
Dazu auch nochmal ein Sinnbild: Dunkelheit erhellt man nicht, in dem man gegen die Dunkelheit ankämpft, sondern in dem man ein Licht anmacht. Mach öfter mal ein Licht an! Für Dich. Für sie. Und für Euch beide.
Ich wünsch Dir alles Liebe,
Lilia