Ich habe überlegt, ob ich ein Thema erstelle, denn ich möchte eigentlich nur meinen Schmerz wegschreiben und das für mich Unfassbare in Worte fassen. Ich möchte tatsächlich gar nicht reden.
Mein Mann und ich haben uns getrennt. Er hat sich von mir getrennt. Wobei ich besser schreiben müsste, dass uns die Krankheit getrennt hat. Ich wusste ja schon seit Langem, eigentlich schon seit 2017, als der Hirntumor diagnostiziert wurde, dass ich irgendwann Abschied von ihm würde nehmen müssen. Ich wusste auch, dass es schmerzhaft sein würde. Ich wusste all die Jahre nur nicht, wann dieser Zeitpunkt kommen würde und wie es passiert. Vorbereitet war ich trotzdem nicht. Keine Ahnung, ob man sich darauf vorbereiten kann, mir ist es jedenfalls nicht gelungen.
Im letzten Jahr ist der Tumor nach den paar Jahren Stillstand wieder gewachsen und leider hatte mich diese Nachricht Anfang des Jahres in eine ziemlich schlimme Krise gestürzt, ich konnte nicht mehr arbeiten und war auch in Psychotherapie, aber es hat mir nur mäßig geholfen. Rückblickend denke ich, dass ich damals schon eine Ahnung davon hatte, dass das der Anfang vom Ende ist.
Mein Mann musste sich einer großen OP mit anschließender Bestrahlung unterziehen. Es war wirklich sehr schlimm für ihn. Ich war die ganze Zeit natürlich für ihn da. Ich erspare euch die Details, es war wirklich furchtbar. Für ihn, für mich. Er hat sich davon nie wieder richtig erholt. Weder körperlich, aber schon gar nicht seelisch.
Dennoch waren die Bilder nach der OP erst ganz gut und die Ärzte waren zunächst auch zufrieden. Als mein Mann und ich Anfang Juli für eine Woche an der See waren, veränderte er sich. Eines Nachmittags setzten wir uns nach einem Spaziergang ins Café und er konnte plötzlich nicht mehr sprechen. Er versuchte mir etwas zu sagen, aber es waren nur Bruchstücke, die aus ihm herauspurzelten, Sätze ohne Sinn und einzelne Silben. Er war sehr verzweifelt und brach in Tränen aus. Ich nahm ihn in den Arm und versuchte ihn zu trösten, aber welchen Trost gibt es da?
Auch im Denken wurde er sehr langsam, wirkte teilweise mit allem sehr überfordert, desorientiert und vergaß alles Mögliche. Später stellte sich heraus, dass sich infolge der Behandlungen großflächige Ödeme im Kopf gebildet hatten. Ich weiß noch, wie wir zusammen mit dem Arzt die Bilder angeschaut haben und ich nur dachte, wie ein Gehirn so aussehen und dann überhaupt noch irgendwie funktionieren konnte. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Wir waren beide total geschockt.
Dieser Schock hat bei meinem Mann dann eine schwere Depression ausgelöst. Zwar hat er Medikamente gegen die Ödeme bekommen, aber er konnte das nicht verarbeiten. Er litt vorher schon an Depressionen, aber danach ist er komplett seelisch abgestürzt. So nenne ich es mal. Er hat sich mit der Zeit total zurückgezogen, hat kaum mehr geredet, war entweder im Bett oder ist zur Ablenkung ziellos herumgefahren, sein Interesse für Alltägliches, für die Kinder, den Hund oder für mich ging gegen Null. Wenn man beschreiben sollte, wie der Ausstieg aus dem Leben aussieht, dann wahrscheinlich so.
Er hat gar nichts mehr gemacht, kein TV geschaut, nicht auf der Terrasse gesessen, keine Tasse weggestellt, keine Milch gekauft, den Hund nicht gekuschelt. Er hat den Kontakt zu uns, zu seiner Familie quasi abgebrochen. Er meinte, alles überfordere und stresse ihn. Wir haben ihn weitgehend in Ruhe gelassen. Ehrlich gesagt habe ich mich in meine Arbeit gestürzt, weil ich auch etwas brauchte, um mich abzulenken. Ich habe ihn natürlich dennoch ab und an angesprochen, aber Gespräche waren eigentlich nicht mehr möglich. Weil er es nicht konnte und nicht wollte. Ihn nervte alles.
Weil die Unordnung in seinen Klamotten ihn auch nervte, habe ich noch zusammen mit ihm einen neuen Kleiderschrank gekauft und ihn für ihn aufgebaut. Ich habe dafür 2 Tage gebraucht und ich hatte eigentlich den Eindruck, dass er sich freut, weil seine Kleidung nun übersichtlicher für ihn war.
Aber dann vor zwei Tagen hat er sich getrennt. Er meinte, dass sich bei ihm ein Schalter umgelegt habe und er so nicht mehr weitermachen könne und in seiner Heimatstadt (ca. 200km von uns) ein neues Leben beginnen wolle. Er brauche eine eigene kleine Wohnung und wolle einfach nur allein sein. Es würde ihn alles hier stressen.
Den Hund, den er wirklich über alles geliebt hat und mit dem er jahrelang eine innige Verbindung hatte, beachtet er nicht mehr. Der versteht auch die Welt nicht mehr und wartet stundenlang vor der verschlossenen Zimmertür. Er füttert ihn nicht mehr, behandelt ihn fast wie Luft.
Mit den Kindern, mit denen er 6 Jahre zusammengelebt hat, spricht er kein Wort mehr. Er ist ein völlig anderer Mensch. Den humorvollen, gesprächigen, liebevollen Mann gibt es nicht mehr. Es ist, als sei er seit der OP quasi aus ihm herausgestiegen und nicht wiedergekehrt.
Ich vermisse meinen ehemaligen Mann, den Menschen, der er war, schrecklich und ich kann nicht fassen, dass ich ihn verloren habe. Ich bin so schlimm traurig, dass er schon gegangen ist, obwohl er noch da ist. Aber es ist nur wie ein Abbild. Ich kann verstehen, dass er nun endgültig Abschied von mir nimmt. Aber ich verstehe diese Welt trotzdem nicht, in der ich am Ende doch wieder allein bin und die so grausam ist. Nicht nur zu mir, sondern natürlich auch zu ihm, zu anderen. Ich weiß nicht, warum das sein muss.
Mein Mann und ich haben uns getrennt. Er hat sich von mir getrennt. Wobei ich besser schreiben müsste, dass uns die Krankheit getrennt hat. Ich wusste ja schon seit Langem, eigentlich schon seit 2017, als der Hirntumor diagnostiziert wurde, dass ich irgendwann Abschied von ihm würde nehmen müssen. Ich wusste auch, dass es schmerzhaft sein würde. Ich wusste all die Jahre nur nicht, wann dieser Zeitpunkt kommen würde und wie es passiert. Vorbereitet war ich trotzdem nicht. Keine Ahnung, ob man sich darauf vorbereiten kann, mir ist es jedenfalls nicht gelungen.
Im letzten Jahr ist der Tumor nach den paar Jahren Stillstand wieder gewachsen und leider hatte mich diese Nachricht Anfang des Jahres in eine ziemlich schlimme Krise gestürzt, ich konnte nicht mehr arbeiten und war auch in Psychotherapie, aber es hat mir nur mäßig geholfen. Rückblickend denke ich, dass ich damals schon eine Ahnung davon hatte, dass das der Anfang vom Ende ist.
Mein Mann musste sich einer großen OP mit anschließender Bestrahlung unterziehen. Es war wirklich sehr schlimm für ihn. Ich war die ganze Zeit natürlich für ihn da. Ich erspare euch die Details, es war wirklich furchtbar. Für ihn, für mich. Er hat sich davon nie wieder richtig erholt. Weder körperlich, aber schon gar nicht seelisch.
Dennoch waren die Bilder nach der OP erst ganz gut und die Ärzte waren zunächst auch zufrieden. Als mein Mann und ich Anfang Juli für eine Woche an der See waren, veränderte er sich. Eines Nachmittags setzten wir uns nach einem Spaziergang ins Café und er konnte plötzlich nicht mehr sprechen. Er versuchte mir etwas zu sagen, aber es waren nur Bruchstücke, die aus ihm herauspurzelten, Sätze ohne Sinn und einzelne Silben. Er war sehr verzweifelt und brach in Tränen aus. Ich nahm ihn in den Arm und versuchte ihn zu trösten, aber welchen Trost gibt es da?
Auch im Denken wurde er sehr langsam, wirkte teilweise mit allem sehr überfordert, desorientiert und vergaß alles Mögliche. Später stellte sich heraus, dass sich infolge der Behandlungen großflächige Ödeme im Kopf gebildet hatten. Ich weiß noch, wie wir zusammen mit dem Arzt die Bilder angeschaut haben und ich nur dachte, wie ein Gehirn so aussehen und dann überhaupt noch irgendwie funktionieren konnte. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Wir waren beide total geschockt.
Dieser Schock hat bei meinem Mann dann eine schwere Depression ausgelöst. Zwar hat er Medikamente gegen die Ödeme bekommen, aber er konnte das nicht verarbeiten. Er litt vorher schon an Depressionen, aber danach ist er komplett seelisch abgestürzt. So nenne ich es mal. Er hat sich mit der Zeit total zurückgezogen, hat kaum mehr geredet, war entweder im Bett oder ist zur Ablenkung ziellos herumgefahren, sein Interesse für Alltägliches, für die Kinder, den Hund oder für mich ging gegen Null. Wenn man beschreiben sollte, wie der Ausstieg aus dem Leben aussieht, dann wahrscheinlich so.
Er hat gar nichts mehr gemacht, kein TV geschaut, nicht auf der Terrasse gesessen, keine Tasse weggestellt, keine Milch gekauft, den Hund nicht gekuschelt. Er hat den Kontakt zu uns, zu seiner Familie quasi abgebrochen. Er meinte, alles überfordere und stresse ihn. Wir haben ihn weitgehend in Ruhe gelassen. Ehrlich gesagt habe ich mich in meine Arbeit gestürzt, weil ich auch etwas brauchte, um mich abzulenken. Ich habe ihn natürlich dennoch ab und an angesprochen, aber Gespräche waren eigentlich nicht mehr möglich. Weil er es nicht konnte und nicht wollte. Ihn nervte alles.
Weil die Unordnung in seinen Klamotten ihn auch nervte, habe ich noch zusammen mit ihm einen neuen Kleiderschrank gekauft und ihn für ihn aufgebaut. Ich habe dafür 2 Tage gebraucht und ich hatte eigentlich den Eindruck, dass er sich freut, weil seine Kleidung nun übersichtlicher für ihn war.
Aber dann vor zwei Tagen hat er sich getrennt. Er meinte, dass sich bei ihm ein Schalter umgelegt habe und er so nicht mehr weitermachen könne und in seiner Heimatstadt (ca. 200km von uns) ein neues Leben beginnen wolle. Er brauche eine eigene kleine Wohnung und wolle einfach nur allein sein. Es würde ihn alles hier stressen.
Den Hund, den er wirklich über alles geliebt hat und mit dem er jahrelang eine innige Verbindung hatte, beachtet er nicht mehr. Der versteht auch die Welt nicht mehr und wartet stundenlang vor der verschlossenen Zimmertür. Er füttert ihn nicht mehr, behandelt ihn fast wie Luft.
Mit den Kindern, mit denen er 6 Jahre zusammengelebt hat, spricht er kein Wort mehr. Er ist ein völlig anderer Mensch. Den humorvollen, gesprächigen, liebevollen Mann gibt es nicht mehr. Es ist, als sei er seit der OP quasi aus ihm herausgestiegen und nicht wiedergekehrt.
Ich vermisse meinen ehemaligen Mann, den Menschen, der er war, schrecklich und ich kann nicht fassen, dass ich ihn verloren habe. Ich bin so schlimm traurig, dass er schon gegangen ist, obwohl er noch da ist. Aber es ist nur wie ein Abbild. Ich kann verstehen, dass er nun endgültig Abschied von mir nimmt. Aber ich verstehe diese Welt trotzdem nicht, in der ich am Ende doch wieder allein bin und die so grausam ist. Nicht nur zu mir, sondern natürlich auch zu ihm, zu anderen. Ich weiß nicht, warum das sein muss.