Liebe Idkat,
ich möchte dir gerne aus persönlicher Sicht antworten, denn eine generelle Antwort kann ich dir auch nicht geben.
Beide Partner, mit denen ich bisher lange Beziehungen eingegangen bin, hatten bzw. haben mit solchen Erkrankungen, wie du sie nennst, zu tun. Mein jetziger Partner hat massiv unter Angstzuständen und Depressionen gelitten, mein Ex-Mann hatte Verhaltensweisen, die stark an Borderline erinnerten. Im Gegensatz zu meinem jetzigen Freund, hat mein Ex aber nie einen Therapeuten gesehen, daher ist sein Verhalten meine "Interpretation", es gibt keine ärztliche Diagnose.
Wie oben schon gesagt wurde, sind Angstzustände und Depressionen heilbar, deswegen würde ich da auch klar trennen.
Um es vorweg zu nehmen: ich selbst bin heute davon überzeugt, dass man keine dauerhafte, gesunde Paar-Beziehung zu jemandem haben kann, der Borderline-Verhalten zeigt. Auch mit einer narzisstischen Störung ist das nicht möglich.
Als ich meinen Ex-Mann kennen gelernt habe, war ich geflasht von ihm. Er sieht sehr gut aus, ist extrem charmant, wortgewandt, und vereinnahmend. Er ist aber auch extrem manipulativ und weil er selbst an das glaubt, was er anderen Menschen vorlügt (mir fällt kein besseres Wort ein), glauben ihm auch die Leute. Nicht nur ich habe ihm alles Mögliche geglaubt, auch meine Eltern, meine Geschwister und meine Freunde. Es gab nur wenige, die misstrauisch waren, und denen hätte ich natürlich wiederum nicht geglaubt. Ich habe später erfahren, dass er sogar bei zwei Banken so überzeugend war, dass die ihm Kredite gegeben haben, ohne dass es die von ihm dargelegten Sicherheiten gegeben hätte.
Warum merkt man so etwas nicht? Ich hatte keinerlei Erfahrung damit. Ich war verliebt, ich habe für alles Mögliche, was mich hätte misstrauisch machen sollen, Erklärungen gefunden. Ich wollte unbedingt, dass alles schön ist. Ich wollte, dass meine Beziehung eine ganz Besondere ist. Ein wichtiger Punkt ist auch: Wir erkennen Lügen nur dann, wenn sich derjenige, der lügt, bewusst ist, dass er lügt. Denn nur dann ergeben sich die kleinen Ungereimtheiten in Mimik und Ausdruck, die uns eine Lüge erkennen lassen. Aber mein Ex hat sich seine Wahrheiten selbst zurecht gelegt, selbst daran geglaubt und war deswegen so überzeugend.
Mit der Zeit kamen natürlich auch bei ihm die Wutausbrüche, Beschimpfungen und Herabwürdigungen. Aber auch die habe ich zunächst nicht als so schlimm empfunden, wie sie in Wirklichkeit waren. Warum nicht? Weil ich ihm geglaubt habe, dass ich daran irgendwie selbst schuld bin und es hätte vermeiden können, wenn ich mein Verhalten so ändere, dass er eben nicht mehr wütend werden muss.
Das hat natürlich nicht funktioniert. Es wurde immer alles nur schlimmer, nie wurde es besser, egal, wie sehr ich mich angestrengt habe, es ihm recht zu machen.
"Aufgewacht" aus meinem seltsamen Hörigkeits-Zustand bin ich erst, als es mir so schlecht ging, dass ich eine Familientherapeutin aufgesucht habe. Da dachte ich immer noch, meine Ehe sei gut und ich hatte keinen Schimmer, warum es mir so schlecht ging.
Bis sie mir ganz direkt sagte: "Frau X, sie haben ja ständig Angst vor Ihrem Mann!"
Das war mir bis dahin nicht bewusst gewesen. Ich habe es einfach verdrängt (ja, das geht).
Aber ab dem Zeitpuntk habe ich mich emotional von meinem Ex immer weiter entfernt.
Was ich damit sagen will: Ja, natürlich kann man über viele Jahre eine solche Beziehung führen (bei mir waren es zwölf Jahre). Aber im Grunde bin ich doch nur so lange in dieser Beziehung geblieben, weil ich selbst ein Problem mit meinem Selbstwert, mit anerzogenen Glaubenssätzen usw. hatte. Eben die berühmte Co-Abhängigkeit.
Mein jetziger Lebensgefährte schleppt auch seine Pakete mit sich herum, wie du ja evtl. noch weißt.
Mir ist klar, dass ich der Charakter bin, der ich bin und mich wahrscheinlich deswegen für solche Partner entscheide. Ich fühle mich sehr stark für alles Mögliche verantwortlich, denke, dass ich alles regeln müsste, damit alles perfekt klappt und ich mein Leben in den Griff bekomme. Ich kämpfe ständig gegen die imaginäre Angst, dass mir die Dinge entgleiten. Das wird meine lebenslange Baustelle sein.
Aber es gibt doch einen wesentlichen Unterschied zwischen meiner jetzigen und meiner früheren Beziehung. Mein jetziger Partner würde mich nie mit Worten herabwürdigen, niemals sein Hand gegen mich erheben. Er würde nie meine Grenzen antasten. Er achtet und respektiert mich. Genau wie ich mich mittlerweile selbst. Trotz allem fühle ich mich sehr viel freier und unabhängiger in meiner jetzigen Beziehung, und mehr "gesehen".
Man entscheidet sich nie ohne Grund für einen Partner. Man kann auch aus Beziehungen, die einem nicht gut getan haben, viel lernen. Manchmal denke ich, dass man letztlich auch immer eine Beziehung mit sich selbst eingeht.
Wahrscheinlich passt mein Text jetzt wieder gar nicht mehr zu den vorangegangen ...
Vielleicht verrätst du uns noch, warum dich diese Frage so interessiert, Idkat?
LG, Badesalz