Freundin ist zu gutherzig

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Linus84

Gast
#1
Hallo!

Es geht um meine Freundin (33). Sie ist zu lieb und bemüht und ich denke, das macht sie kaputt. Ich weiß schon nicht mehr, was ich tun soll.

Sie ist Sozialarbeiterin, das ist ihre Passion. Sie kümmert sich um missbrauchte und traumatisierte Kinder und bringt dennoch Verständnis für deren Eltern auf. Sie ist Vegetarierin seit 21 Jahren und nur kein Veganer, weil der Arzt ihr strikt davon abrät, ihr tun einfach die Tiere so leid und deren Ausbeutung. Sie ist aber nicht so eine, die über andere schimpft. Im Gegenteil, sie sagt immer, jeder hat sich für seine Lebenswelt entschieden und das muss man respektieren, ich selbst esse Fleisch und das ist völlig ok für sie. Sie sammelt jedes verletzte Tierchen auf und pflegt es gesund, manchmal ist es aber leider zu spät und ein Tier stirbt trotz aller Mühe und Pflege.

Und an dieser Stelle beginnt das Problem. Stirbt eben doch mal ein Tier (vor Kurzem war es eine Maus mit einem Tumor, sie wäre auf jeden Fall gestorben) ist das immer ein schlimmer Schlag für sie. Sie trauert dann fürchterlich, sie weint und stürzt sich in Selbstzweifel, was sie falsch gemacht hat, obwohl der Tierarzt ihr immer versucht klar zu machen, dass da nichts zu retten war. Dann ist sie manchmal tagelang traurig und versucht verzweifelt etwas Gutes zu tun.

Sie engagiert sich sehr viel in der Katzenrettung, kümmert sich um obdachlose Menschen in unserer Umgebung, verteilt Decken und Essen (alles von ihrem eignen Geld). Einmal hat sie eine Flut an Topfpflanzen aufgezogen, sich auf den Markt gestellt und jedem, der vorbei kam eine geschenkt und ihm einen schönen Tag gewünscht.

Versteht mich nicht falsch, ich liebe sie dafür, dass sie so gut ist und sie erwartet das auch nicht von mir, ich mache mir nur Sorgen, denn in letzter Zeit wird sie depressiv. Größtenteils hängt das Wohl mit Corona und diesen Gegnern davon zusammen. Jede Woche findet direkt vor unserem Haus so eine Antimasken- Demo statt. Sie sieht dann aus dem Fenster und weint und fragt mich, warum manche Menschen so rücksichtslos sind, warum jeder nur noch an sich denkt, warum jeder so auf sein Recht pocht, obwohl Menschenleben davon abhängen (eine Bekannte ist an Corona erkrankt und war auch auf Intensivstation, es geht ihr aber wieder gut).

Ich habe dann keine Antwort für sie und sie zerbricht sich den Kopf und kommt in eine Spirale, in der sie alles hinterfragt. Kurz sie weint und weint und fragt, warum die Menschen nicht mehr nett zueinander sein können. Und im Prinzip hat sie recht, überall hört man Beschwerden über Kleinigkeiten und sie fragt mich, ob sie verrückt ist, weil sie findet, dass es genug Probleme überall auf der Welt gibt und die Menschen bei uns sich glücklich schätzen könnten, weil sie keinen Krieg haben, nicht für ihre Meinung ins Gefängnis gesperrt werden und so weiter. Ich bekomme sie nicht mehr aus diesen Fragen heraus, sie klammert sich so daran, die Welt besser zu machen und fällt völlig in sich zusammen, wenn sie das nicht schafft.

Mit einem Therapeuten hat sie schon darüber gesprochen, hat das aber abgebrochen, weil der ihr sagte, sie solle sich mehr auf sich besinnen, mal etwas für sich tun, sie fand ihn egoistisch und sagte, dies sei Teil des Problems, weil alle nur noch Dinge für sich tun. Sie sieht nicht, dass sie immer kleiner wird und sich immer mehr schadet, weil sie sich das Leid der anderen so sehr annimmt und sich so sehr Gerechtigkeit wünscht. Mein Hauptargument war bisher immer, wenn du immer schwächer wirst, hast du bald nicht mehr genug Kraft, um anderen zu helfen, aber mittlerweile nimmt sie auch das gar nicht mehr ernst...

Hat jemand einen Rat für mich?
 
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14 Okt 2020
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#2
Deine Freundin scheint zwar sehr sozial zu sein, aber alles was ins extreme geht ist zu viel und nicht gesund für sie. Das sie die Therapie abgebrochen hat zeigt auf wo ihr Problem liegt. Aus irgendwelchen Gründen scheint sie sich in ihrem Selbstwert sehr herabzusetzen und sucht evtl durch ihre teils sinnvolle Hilfe (menschen und tiere in not helfen) und sinnlose hilfe (pflanzen verteilen) Zugehörigkeit. Es klingt für mich nach einem „Helfersyndrom“. Kenne auch jemanden der so ist und empfinde es als unglaublich anstrengend.
 
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