Fiktiver Charakter

Dabei
12 Aug 2022
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#1
Hallöchen, ich muss mir mal was von der Seele reden. (Kurzzusammenfassung am Ende)

Als allererstes bitte ich euch, mich nicht darauf hinzuweisen, dass wir psychische Probleme haben. Ja, die haben wir, meine Partnerin und ich sind beide traumatisiert, ich bin PDA-Autistin, sie hat OCD, ADHS haben wir wohl beide. So weit so gut.

Weiterhin möchte ich betonen dass wir ansonsten extrem gut klicken, wir scherzen manchmal dass wir dasselbe Hirn haben, wir reden viel und sehr ehrlich und wir sind beide extrem ineinander verliebt und uns ist es wichtig, dass unsere Beziehung hält. Gerade dadurch, dass wir spezielle Bedürfnisse haben, müssen wir extrem transparent miteinander sein. Wir sind beide in den frühen Mittzwanzigern.

Nun ist die Sache so, wir beide haben eine nicht so schöne Kindheit und Jugend hinter uns und in dieser Zeit hat uns ein- und derselbe fiktive Charakter viel Halt gegeben. Man könnte sagen dass wir uns 2013 in diese Figur verliebt haben und das seitdem nie wirklich verloren haben. Wir haben uns auch durch diesen Charakter kennengelernt, also ohne ihn hätten wir uns nie ineinander verliebt.

Allerdings handeln wir das beide sehr unterschiedlich. Meine Freundin hat sich eine Fantasiewelt geschaffen in der sie seine Braut ist. Sie hat sich vorgestellt wie seine ideale Frau sein sollte und arbeitet daran, genau diese Frau zu werden - das hat ihr damals aus einer schweren Depression geholfen und hilft ihr heute noch wenn sie traurig ist.

Ich hingegen wollte damals ganz besonders realistisch sein und habe mir gesagt "der wäre doch übel toxisch als Partner, sollte ich mich in einer Beziehung mit ihm sehen werde ich doch nur anfällig für echte toxische Partner später!" Also habe ich mir eine Fantasiewelt gebaut in der ich seine Schülerin bin die in ihn verliebt ist und da Lehrer-Schüler illegal ist darf also keine Beziehung stattfinden. (ja, bei mir musste immer etwas Realität in die Fantasie xD)
Jedenfalls hat mir das sehr geholfen, selbstbewusster zu werden, es hilft mir, wenn ich Angst habe und ich bin u.a. dank ihm auch auf meinen Traumberuf gestoßen. Er ist quasi mein imaginärer Mentor.

Nun liegt uns beiden dieser Charakter offensichtlich sehr am Herzen. Mir ist es egal wenn andere auch für ihn schwärmen oder gar in ihn verliebt sind - ich LIEBE es wenn ich andere Fans treffe, der Charakter braucht Liebe und ich brauche Gleichgesinnte!
Meine Freundin allerdings tendiert zur Eifersucht. Früher war das viel schlimmer, da konnte ich fast gar nichts sagen ohne dass es ihr massiv wehtat. Wir haben uns damals gestritten und erst durch den Streit bemerkt dass wir ineinander verliebt sind. Seitdem wir zusammen sind geht es ihr besser... allerdings ist es immer noch schwierig, da ich gerne mit anderen zusammen fangirle und versehentlich immer wieder Bemühungen mache, dasselbe auch mit ihr zu tun. Allerdings hole ich mir dabei metaphorisch jedes Mal eine blutige Nase. Es macht Spaß, meine Leidenschaft für diesen Charakter zu teilen und es macht mich traurig dass das so schwer mit ihr ist, gerade WEIL wir ja so ähnlich sind.

Bis jetzt habe ich diese Eifersucht die sie für den Charakter hegt mir gegenüber noch nicht bemerkt und wir beide haben auch festgemacht dass unsere Gefühle für den Charakter nicht im Weg unserer Beziehung stehen - einen echten Menschen zu lieben ist etwas komplett anderes als einen fiktiven Charakter zu lieben.

Es ist nur sehr schade dass das was uns zusammengebracht hat uns nicht notwendigerweise zusammenhält. Gottseidank haben wir ein Leben außer unserer Fantasie, meistens können wir das Problemthema ganz gut umschiffen. Wir beide sind in Ausbildung, wir haben Hobbies, machen Sport besuchen Workshops und Kurse, sozial sind wir eher weniger aber komplett allein sind wir auch nicht. Von daher ist das Thema mit dem Charakter kein SO ein großes aber groß genug um immer wieder mal aufzukommen, gerade dadurch dass wir viel Fanart von ihm zeichnen und online stellen und hobbymäßig nach Merch jagen.

Ich weiß dass es keine wirkliche Lösung für das Thema gibt außer eben dass sie etwas entspannter wird (woran sie arbeitet) und sich selbst schützt und ich im Gegenzug einfach vorsichtig bin und sie nicht überfordere. In Therapie ist sie schon, ihre Therapeutin meinte dass ihre Gefühle verständlich seien. Wir haben beide schon versucht, den Charakter loszulassen aber irgendwie ist das doch auch blöd, die Fantasiewelt die einem Schutz bietet und eigentlich keinem wehtut wegen einer Unstimmigkeit zerbrechen zu wollen. Abgesehen davon sind wir psychisch noch nicht so weit.

Ich hoffe, dass wir beide irgendwann in unserer Traumaheilung derart fortgeschritten sind dass wir spielerischer mit unseren Fantasiewelten umgehen können - dann muss meine Freundin nicht so unter ihrer Eifersucht leiden und ich konfrontiere sie nicht versehentlich immer wieder damit.

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Kurzzusammenfassung: Meine Freundin und ich sind traumatisiert und haben uns als Schutz jeweils eine Fantasiewelt um denselben Charakter geschaffen. Ich benutze das, um mich mit anderen Leuten zu verbinden die den Charakter auch toll finden, meine Freundin reagiert auf alle die den Charakter lieb haben, mit Eifersucht (weiß aber dass das logisch gesehen Quatsch ist). Ich finde es schade dass es schwer ist, den Charakter mit ihr zu teilen. Lösung gibt es keine, ich wollte mir das nur mal von der Seele reden. Wir haben ein Leben außerhalb unserer Fantasie, daher ist es kein riesiges Problem aber es macht mich manchmal traurig.
 
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Dabei
24 Sep 2017
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#2
Hey @maffimau,
ich weiß, du wolltest jetzt nicht unbedingt einen Tipp, aber vielleicht hilft hierbei...
Ich benutze das, um mich mit anderen Leuten zu verbinden die den Charakter auch toll finden, meine Freundin reagiert auf alle die den Charakter lieb haben, mit Eifersucht (weiß aber dass das logisch gesehen Quatsch ist).
... ja vielleicht, dass sie sich vorstellt, dass ihre Version ihres Charakteres in einem anderen Universum ist als das, für den die anderen Fangirls schwärmen. Ihn sozusagen "abschotten" oder ihn in diesem Zusammenhang ihren Held als Original, die andere als Klone oder Typ aus einem alternativen Universum sieht. Sie sind der gleiche Charakter, aber irgendwas ist anders. So wie sich etwas ändert, wenn zwei Spieler:innen den gleichen Charakter bei einem Kampfspiel auswählt.
 
Dabei
12 Aug 2022
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#3
Hey @maffimau,
ich weiß, du wolltest jetzt nicht unbedingt einen Tipp, aber vielleicht hilft hierbei...

... ja vielleicht, dass sie sich vorstellt, dass ihre Version ihres Charakteres in einem anderen Universum ist als das, für den die anderen Fangirls schwärmen. Ihn sozusagen "abschotten" oder ihn in diesem Zusammenhang ihren Held als Original, die andere als Klone oder Typ aus einem alternativen Universum sieht. Sie sind der gleiche Charakter, aber irgendwas ist anders. So wie sich etwas ändert, wenn zwei Spieler:innen den gleichen Charakter bei einem Kampfspiel auswählt.
Oh ja, das ist genau die Herangehensweise die ich verfolge (schließlich projiziert jeder Mensch etwas anderes in diesen Charakter ergo hat jeder eine etwas andere Interpretation von ihm). Leider gelingt das meiner Freundin nicht. Ich hab ihr das schon vorgeschlagen bevor wir zusammenkamen und sie meinte "nein ich liebe das Original!" Sie versteht meine Logik - aber emotional ist das für sie schlecht umsetzbar.

Genauso wie sie bei jeder Fanart von dem Charakter Herzsausen bekommt, ich nur wenn der Charakter in einem ähnlichen Stil wie der meine gezeichnet ist.

Vielen Dank trotzdem für diesen Tipp! Bin froh dass sich hier jemand ein bisschen mit Fandomkram auskennt ^o^
 
Dabei
24 Sep 2017
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#4
Naja, aber sie hat durch ihre "Kopf-Fan Fictions" und ihre Träume und Vorstellungen ja quasi schon einen "OC light" erschaffen - denn der "echte" ist ja gar nicht ihr Partner.
Und es bliebe ja noch die Möglichkeit, dass sie sich völlig einen OC erstellt, der an ihn angelehnt ist. Dann hat sie ihn ganz für sich.
Wer auch immer er ist, wenn's nicht Levi Ackermann ist, interessiert es mich nicht. 😅
 
Dabei
6 Mrz 2013
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#5
Ich kenne mich mit der Materie gar nicht aus.

Wieso ist es für sie ein Problem? Du bist ja sozusagen hoffnungslos in ihn verliebt. Weil er dein Mentor ist und eine Beziehung zwischen Mentor und Schülerin aus deiner Sicht nicht in Betracht kommt, kann zwischen dir und ihm nie etwas entstehen, was ihre Beziehung zu ihm gefährdet.
 
Dabei
12 Aug 2022
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#6
Naja, aber sie hat durch ihre "Kopf-Fan Fictions" und ihre Träume und Vorstellungen ja quasi schon einen "OC light" erschaffen - denn der "echte" ist ja gar nicht ihr Partner.
Und es bliebe ja noch die Möglichkeit, dass sie sich völlig einen OC erstellt, der an ihn angelehnt ist. Dann hat sie ihn ganz für sich.
Wer auch immer er ist, wenn's nicht Levi Ackermann ist, interessiert es mich nicht. 😅
Jaaaa ganz genau. Die Sache ist ja dass sie das kognitiv alles versteht und sie versteht auch wie verwirrend das von außen aussehen kann. Das Problem ist nur dass ihre Emotionen der Logik nicht folgen. Es gab schon mehrere Momente wo sie sehr traurig war weil sie mir das auch gerne bieten will dass wir uns über den Charakter mehr verknüpfen weil sie sieht wie Spaß mir das macht. Sie hat aber fast schon Panikattacken und irgendetwas in ihr fühlt sich dann so an als wolle man ihn ihr wegnehmen. Und sie weiß wie unsinnig das ist.

Ich hatte so eine kurze Phase selbst mal, da steckte ich viel zu tief in meiner Fantasiewelt und nahm sie viel zu ernst. Da hab ich am eigenen Leib erfahren wie mächtig und bar jeder Logik sowas ist. Hab mich erschreckt und mal ein paar Monate lang Urlaub von meiner Welt genommen, dann ging es wieder. Sie fühlt sich aber nicht bereit, von ihrer Welt loszulassen, sie hat Angst dass sie wieder depressiv wird wenn sie das tut.

Sie steckt sehr tief drin aber wir haben schon sehr oft darüber geredet, sie hat so luzid wie möglich erklärt warum sie da so tief drin steckt, wie genau das bei ihr aussieht, sie hat mir erklärt wie ihre Fantasiewelt in ihre Psyche eingebettet ist und warum sie sich so ängstlich daran klammert. Was für Mechanismen dahinter stecken. Ich persönlich glaube dass dieses ängstliche Klammern an die Welt ihre Probleme verursachen - zumindest war es bei mir damals ähnlich. Aber ich kann nachvollziehen warum sie ist wie sie ist und dass das nichts ist was sich mit einem Schnips lösen lässt - nur Heilung hilft da und Heilung dauert.

Hahaha awwww Levi, eine Freundin von mir hat ihn als Husbando und nennt sich Ackerman (aber spielerisch gemeint, wir Nerds halt lol). Ich glaube alle Fans die um Levi besitzergreifend sind haben ein Problem mit der Masse an Mitfans XD. Der Charakter von meiner festen Freundin und mir ist gottseidank nur ein kleiner Zelda-Bösewicht (nicht Ghirahim). Unser Fandom ist klein aber sehr hingebungsvoll. Wenn du von Sans Fangirls gehört hast ... ungefähr so ist das Fandom "unseres" Charakters nur in klein und manche sind schon über zehn Jahre dabei. Meine Freundin und ich sind ab nächstem Jahr auch schon Zehn-Jahre-Freaks. Wir sind ein kleines Irrenhaus :p
 
Dabei
12 Aug 2022
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#7
Ich kenne mich mit der Materie gar nicht aus.

Wieso ist es für sie ein Problem? Du bist ja sozusagen hoffnungslos in ihn verliebt. Weil er dein Mentor ist und eine Beziehung zwischen Mentor und Schülerin aus deiner Sicht nicht in Betracht kommt, kann zwischen dir und ihm nie etwas entstehen, was ihre Beziehung zu ihm gefährdet.
ja ich glaube das ist auch der Grund warum sie mit meinen Gefühlen für ihn besser zurechtkommt als mit Gefühlen die andere für ihn haben. Trotzdem ist es bei ihr eher was instinktives, weniger etwas was dem bewussten Hirn entspringt. Sie scheint starke Verlustängste zu haben. Sie weiß aber nicht genau wo das herkommt, vielleicht liegt es daran dass sie Scheidungskind ist, vielleicht liegt es am Mobbing (da verlassen dich ja auch viele Freunde). Und da Emotionen nicht immer zwischen fiktiv und real unterscheiden überträgt sich das eins zu eins auf diesen Charakter.

Bei mir ist es genau andersherum - ich schubse Leute von mir weg und verlasse sie zuerst bevor ich verlassen werde. Ich hab schon mal versucht, meine Fantasiewelt so zu drehen dass ich mit dem Charakter zusammen bin (weil mich halt einige andere Fans fragten wieso ich in meiner Fantasie zu ihm so auf Distanz bin und mir mein eigenes Happy End nicht erlaube) und es fühlte sich nicht richtig an, das ist zu nah, nein nein - der muss auf Distanz bleiben.

Habe darüber aber auch schon viel mit meiner Freundin geredet. Zwischen uns hat es bisher da noch keine Probleme diesbezüglich gegeben, vielleicht liegt es an der Fernbeziehung, könnte aber gut sein dass das auch mal in Realität Thema wird sobald wir zusammenziehen.
 
Dabei
12 Aug 2022
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#9
Das finde ich da einen sehr guten Gedanken. Dass sie es kognitiv versteht und auch in Therapie ist, ist ja schonmal ein großer Erfolg!
Danke! ^o^ jaaaa sie ist sich der Realität sehr bewusst auch wenn sie früher manchmal so getan hat als wäre sie es nicht. (Sie kommt ursprünglich aus einer Community von Menschen in Fantasiewelten wie der ihrigen und da war es normal so zu tun als wäre die Fantasie Realität. Sie hat sich für mich über die Community entschieden weil eine der Regeln dort sind dass man keine echte Beziehung haben darf sondern sich voll und ganz seiner Traumwelt hingeben muss. Da habe ich gesehen wie sehr sie mit mir zusammen sein will.)

Sie macht viele große Schritte zur Heilung, sie traut sich jetzt mehr, anderen Leuten zu öffnen, sie hat ihrer Mutter (die ich auch schon getroffen habe) endlich nach fast zehn Jahren von dem Charakter erzählt und dass wir uns darüber kennengelernt haben (ein großer Schritt für sie). Sie hat mir auch erzählt dass ihr schon öfter gesagt wurde dass sie sich sehr verbessert habe und jetzt viel offener wirkt. Sich mir zu öffnen scheint ihr immens gut zu tun. Ich wirke laut meinen Eltern auch viel reifer und gelassener seit ich sie kenne.

Ich denke - ohne dass wir jetzt einander Therapeuten sind, denn gegen unsere Dämonen kämpfen müssen wir selber - dass wir uns sehr gut tun und sichtlich heilsam für einander sind, einfach dadurch dass wir uns so lieb haben und endlich jemandem derart vertrauen können. Dass wir jemand gefunden haben, der uns und unsere Eigenarten endlich nachvollziehen und uns auch lieben kann.
 
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