Das Rendez-vous

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12 Aug 2008
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#1
Das Rendez-vous

Ein Mann, der eine Frau verehrt,
die einem anderen gehört,
befindet sich ganz ohne Frage
in höchst bedauerlicher Lage.

Vor Liebeslust und Liebesweh
greift rasch er in sein Portemonnaie
und kauft sich dann im Laden hier
sechs Bogen rotes Briefpapier.

Und abends dann in seinem Zimmer,
romantisch sehr, bei Kerzenschimmer,
um seine Sache zu betreiben,
beginnt er, einen Brief zu schreiben.

Er schreibt: „Oh, heißgeliebte Inge!
Du bist's, die ich im Traum besinge.“
Dann schallt es laut aus seiner Kehle:
„Ich liebe dich aus ganzer Seele!

Ich bitte dich, komm um halb acht
ins Gasthaus ,Zur getreuen Wacht'.
Ich lade dich ganz herzlich ein
zu einem guten Gläschen Wein.“

Er überliest den Brief, wie stark
er klingt, er wirkt bis in das Mark.
Er unterschreibt mit kräft'gem Strich:
„Ich liebe dich, dein Friederich!"

Im Stillen denkt er sich, beim Wein
wird Inge bald gelöster sein.
Und hinterher, wer weiß, wer weiß,
schon der Gedanke macht ihm heiß.

Der Brief zur Post, die Antwort kommt,
sie fällt so aus, wie's Friedrich frommt.
Und beide treffen sich zur Zeit,
wie abgemacht, in Heimlichkeit.

Zwei wirklich traumhaft schöne Stunden
lässt Friederich sich köstlich munden,
und schließlich naht der Augenblick,
der ihm beschert das große Glück.

Zuvor zahlt er noch teures Geld
für all den Wein, den er bestellt,
und mit erwartungsvollem Blick
fragt er sie leise: „Gehst du mit?"

Doch sie lehnt ab mit sanfter Güte
und sagt: „Kommt gar nicht in die Tüte.
Dort an der Tür steht mein Gemahl
und holt mich ab, wie ich's befahl."

Die Männer dann, o welch Vergnügen,
sich selig in den Armen liegen:
„Ach lieber Freund, das find ich schön,
mit meiner Frau mal auszugehn.

Ich dank auch schön für diesen Wein,
er muss hier wohl sehr teuer sein.
Und liebe Frau, jetzt sei so nett,
es ist schon spät, komm mit zu Bett."
 

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