Alles in Ordnung

Dabei
24 Jul 2008
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#1
Huhu miteinander,

ich melde mich unter die Lebenden zurück, wenn auch nicht unter die Liebenden. Es war schon die richtige Entscheidung, mich in meiner Krise von allen zurück zu ziehen, sogar von euch. Ich hab euch ja alle lieb, aber ich war so aus dem Gleichgewicht, dass ihr mir nicht gut getan habt.

Ich weiß jetzt auch warum. Ich weiß jetzt sowieso ganz viel. Am Sonntagnachmittag im ICE zwischen Frankfurt und Fulda packte mich die Erleuchtung und seither ist die Welt so glasklar und durchsichtig. *staun* Das Seltsam ist dass das, was ich begriffen habe, schon tausend Mal in meinem Tagebuch steht. Und auf irgendwelchen Post-it Zetteln, die in meiner Wohnung an den Möbeln und Kacheln kleben. Ich frage mich, ob der einzige Zeitpunkt, zu dem solche Parolen überhaupt etwas nutzen, der ist, an dem man gerade dabei ist, denselben Fehler/ Holzpfad zum tausendsten Mal zu begehen und dann tapfer mal an der Weggabelung den anderen Weg beschreitet, der in unbekanntes Neuland führt. (Meistens gibt es da auch irgendwelchen Ärger, haha, aber man ist schon einen Schritt weiter raus aus dem Sumpf.)

Die Weggabelung ist der Moment der Wahrheit, alles andere ist nur Gedankenspielerei und mentale Vorbereitung.

Ich hab´s geschafft, ich hab´s geschafft! *hüpfhüpf* Jetzt muss ich das nur noch durchhalten. Aber das Mich-gut-fühlen motiviert mich doch sehr. :)

Mir ist klar geworden, dass ich in einem Teufelskreis drin stecke oder noch schlimmer: einer Teufelsspirale, die sich immer weiter zu zieht. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Angst vor der Angst noch schlimmer sei als die Angst selbst. Das bezog sich auf Phobien, gilt aber eigentlich allgemein.

Und so steckte ich in einem Teufelskreis aus
- Pech in der Liebe/ Liebeskummer
- (Selbst-)Vorwürfe und Schuldsuche bei mir selbst
- Finden der Ursache: Ich habe Beziehungsangst
- Nicht-mehr-ernst-nehmen meiner Angst
- neuer Versuch mit jemandem, vor dem mich mein Gefühl gewarnt hat
- neues Pech in der Liebe/ Liebeskummer
und dann alles nochmal von vorne

Das vorherrschende Gefühl in dem ganzen Drama war das schlechte Gewissen. Nicht nur meine Mutter hat das gut drauf, andere Leute zu manipulieren, indem sie ihnen permanent ein schlechtes Gewissen macht, sondern die meisten Menschen tun das. Und irrwitzigerweise habe ich mir als Kind einreden lassen, meine Mutter sei viel verletzlicher als ich und ich viel verantwortlicher als sie. Ich fühlte mich schuldig an dem Unglück meiner Eltern, weil ich ein schlechtes Kind bin. Ergo verzweifelter und natürlich erfolgloser Versuch, es Leuten Recht zu machen, die nie mit irgendetwas zufrieden sein werden. Das Schema klappt auch super in Beziehungen und Freundschaften. Der andere fordert, ich racker mir einen ab und hege ein schlechtes Gewissen. Da ich schon richtig schlimme Beziehungserfahrung gemacht habe, erklären sich meine "Beziehungsängste" ganz zwanglos daraus, also gelten sie nicht, also muss ich sie ignorieren und mir in einer Beziehung viel Mühe geben, um zu beweisen, dass ich doch nicht beziehungsunfähig bin. Das führt natürlich zu ganz tollen Liebesgeschichten.

Bewusst ist mir das Problem schon lange. Mein halbes Leben lang genau genommen. Aber man kommt da ja auch nicht raus, wenn man sich dauernd einredet, einen Knacks zu haben. Tausend Mal habe ich mir vorgenommen, mein Bauchgefühl ernst zu nehmen, denn seine Warnungen waren eben doch nicht aus meinem Knacks geboren, sondern durchaus berechtigt, wie sich später herausstellte.

Hier im Forum wurde leider in dasselbe Horn geblasen. Wenn ich dauernd Pech in der Liebe habe, müsse der Fehler bei mir liegen. Blabla und so weiter. Also, liebe Mona, wieder rein in den Teufelskreis mit "Du hast einen Knacks".

Nein, ich habe keinen Knacks! Es gibt durchaus immer wieder Menschen, denen ich vollkommen vertraue. Allerdings entstehen dieses Vertrauen nicht hollywoodmäßig auf den ersten Blick, sondern entwickelt sich mit der Zeit. Viel Zeit. Dass ich so lange brauche um zu vertrauen, wird von vielen Leuten ebenfalls als Zeichen gesehen, dass ich einen Knacks habe. Denn Menschenkenntnis, Schicksal oder positives Denken müssten doch dazu führen, dass ich nur Menschen anziehe, die mir gut tun, oder ich muss sofort erkennen können, wer mir auf Dauer gut tun wird. Muss ich das??? Besonders da ich ja seit fast zwanzig Jahren immer neu in der Stadt bin. Ich kenne da niemanden schon lange vom Sehen oder Hörensagen, kenne nicht den Ruf der Leute, ich sehe sie zum ersten Mal. Ich weigere mich ab sofort, mich von irgendjemandem unter Druck setzen zu lassen, dass ich fremden Menschen auf den ersten Blick vertrauen können muss, dass ich auf den ersten Blick erkennen muss, wem ich vertrauen kann. Dass ich das nicht tue, ist KEIN Zeichen dafür, dass ich einen Knacks habe oder krank bin oder Ähnliches. Das ist normal. Man lernt die Leute nur dadurch kennen, dass man sie in verschiedenen Lebenslagen erlebt, z.B. wenn man mal verschiedener Meinung ist, wenn ich im Stress bin, wenn es mir schlecht geht, wenn es ihm/ ihr schlecht geht, und so weiter. Nur so lernt man jemanden kennen und nicht auf den ersten Blick. Ich muss die Kunst des Gedankenlesens nicht beherrschen. Ich darf mir Zeit lassen, die anderen allmählich kennen zu lernen.

Der Druck, sich schnell zu entscheiden, ob ich jemandem absolut vertraue (was man beweist, indem man mit ihm ins Bett geht oder persönliche Dinge verrät), kam aus allen drei Richtungen:
- von mir selbst (Ich meinte, mir etwas beweisen zu müssen, nämlich dass ich keinen Knacks habe)
- von unbeteiligten Dritten, die es gut mit mir meinen (Ja, euch mein ich auch!)
- insbesondere vom beteiligten Zweiten, d.h. von demjenigen, der mein Vertrauen besitzen möchte. Es war leicht, mir dafür ein schlechtes Gewissen zu machen, dass ich nicht sofort absolut vertraue. Weil ich ja so viel Liebespech gehabt habe. Blabla, siehe oben.

Ich habe für mich beschlossen, in Zukunft SOFORT die Reißleine zu ziehen
und in die Flucht zu ergreifen, sobald von mir jemand Vertrauen einfordert.
Die ganzen Psychopathen, mit denen ich bisher zu tun hatte (Männer
und Frauen) haben nämlich genau das getan. Vertrauen eingefordert,
wo es dafür eigentlich noch zu früh war. Und mir dann schön ein
schlechtes Gewissen gemacht, weil ich noch nicht so weit bin.
Scheiß Spiel!

Neulich war ich mal wieder in der Startkurve zu so einer Runde im
Teufelskreis, aber dieses Mal bin ich abgebogen. Der Typ hat sich
in den letzten neun Monaten so gut wie nicht bei mir gemeldet.
Hatte zwischendurch auch zwei andere Liebesgeschichten, da war
ich abgeschrieben. Und jetzt ist er wohl einsam, meldet sich wieder
bei mir und meint was auch immer. Keine Ahnung, was er sich vorstellt.
Ich jedenfalls zeigte mich verwundert und sagte ganz offen, dass ich
ihn schon abgeschrieben hatte. Ich dachte, er wolle keinen Kontakt
mit mir und auf ein Mal will er ein Wochenende mit mir verbringen.
Find ich seltsam. Und er war sofort total enttäuscht von mir, denn ich
hätte doch wissen müssen, wie viel ich ihm bedeute. Nee, ist klar!
Fordert von mir vollständiges Vertrauen ein, komplett unverdient.
Einfach nur weil er er ist. Und ich blödes Schaf fühlte mich gebauchpinselt,
weil er mir sagte, wie wichtig ich ihm sei. Und hatte gleich wieder ein
schlechtes Gewissen, weil ich an ihm zweifeln konnte. Sich in neun
Monaten nur drei Mal zu melden, nachdem ich ihm eine E-Mail
geschrieben hatte, das ist natürlich ein deutliches Zeichen allerhöchster
Zuneigung, schon klar! Nur ich hab ja einen Knacks, keine
Menschenkenntnis und vertraue nicht mal denen, die es so gut mit mir
meinen wie er. Was bin ich vielleicht für eine Psychopathin! *grummel*

Erstmal bin ich auf den Scheiß reingefallen, aber seitdem ich mein
schlechtes Gewissen zusammen geknüllt und in die Tonne getreten
habe, fühle ich mich besser. Ich bin raus aus dem Spiel. Ich spiel
lieber was anderes.

OK, ist jetzt ETWAS lang geworden. Vielleicht findet es jemand doch
interessant und für sich selbst hilfreich.

Ich geh dann mal wieder mein neues Leben genießen. :) Ein Leben, in
dem ich fremden Menschen kein Vertrauen schulde, wo ich mir Zeit
lassen kann mit dem Kennenlernen und wo mir nichts und niemand
einreden darf, dass ich einen Knacks habe. Mein Bauchgefühl hat
immer Recht, das passt schon alles.

Viele Grüße,
Mona
 

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