Liebe Svenja,
Ich schließe mich diesem Schlußstrich ziehen, für Ablenkung sorgen, wie Insomnius schrieb, grundsätzlich nicht an.
Ich glaube in unserer heutigen Zeit ist es einfach schnell was neues zu finden, wo die nächste Option meist nur ein paar Mausklicks entfernt ist.
Ich finde, meist geben die Menschen viel zu schnell auf. Eine Beziehung funktioniert nicht mehr? Ist kaputt gegangen? Dann wird sie weggeworfen, wie ein Konsumgut und schnell muss eine neue her.
Beziehungen, die einfach sind und reibungslos funktionieren haben dann meist das Problem, dass sie irgendwann langweilig werden...
Wenn bei deinem Freund die Angst vor deiner Familie so groß ist, dass er deshalb vielleicht keine Beziehung mehr zu dir eingehen will, obwohl die Gefühle doch noch groß genug wären, dann musst du vielleicht mit deiner Familie reden. Vielleicht ist es möglich, dass sie ihm als Mensch noch mal eine neue Chance geben.
Jeder Mensch macht Fehler, manchmal fatale. Wenn DU ihm diese Fehler vergeben kannst, dann ist es nicht hoffnungslos.
Was nicht bedeutet, dass du ihm einen Freifahrtschein geben sollst... er sollte zumindest aus den gemachten Fehlern lernen und diese nicht wiederholen.
Nochmal zu diesem Schlußstrich und Ablenkung: Das mag funktionieren wenn man emotional dazu bereit ist, aber wenn da noch Liebe ist, kann man diesen Schlußstrich nicht ziehen, denn dann würde man seine eigenen Gefühle ja verleugnen. (Glaub mir ich weiß wovon ich rede - ich bin einer dieses hoffnungslosen Fälle, ich krieche seit Wochen emotional durch die Hölle, aber solange diese Sehnsucht größer ist und diese Liebe in mir so lebendig, versetze ich ihr keinen Todesstoß... Das hat auch nichts mit Selbstmitleid zu tun. Es ist ein Kampf um eine Liebe, den ich nicht bereit bin zu beenden solange da irgendwo noch ein Funken Hoffnung ist. Das ist eine Entscheidung die ich für mich getroffen habe und zu der ich stehe. Das mag auch nicht für alle Menschen und Beziehungen richtig sein, aber solange es sich für mich richtig anfühlt, ist es das auch)
Und das ist das wichtigste: Hör auf dein Gefühl, wenn dieser Mensch es deiner Meinung nach wert ist, um ihn zu kämpfen, dann tu das. Solange du kannst und willst und sich dieses Kämpfen richtig anfühlt. Einen Schlußstrich kanst du dann emotional gar nicht wirklich ziehen, denn Gefühle lassen sich nicht rational auf Kommando ausschalten.
Ablenkung und tun was einen glücklich macht, ist auch leichter gesagt als getan, wenn man aber in mitten von den besten Freunden sich zeitgleich wie der einsamste Mensch fühlt, funktioniert das mit dem "glücklich sein" nunmal nicht. Andererseits ist schon wichtig, dass dein Leben weitergeht. Verkriech dich nicht. Alles hat seine Zeit, nimm dir bewußt Zeit an ihn zu denken. Aber genauso Zeit etwas anderes zu tun. Wenn es dir gut tut und Spaß macht. Das wirst du ja dann merken. Ich organisier gerade z.B. eine Halloween Party! Auf die ich mich sehr freue. Einfach weil es mein Ding ist, ich würde mich aber nie zwingen etwas zu tun, nur um mich abzulenken.
Zurück zu den Missverstandnissen, die es bei euch zu Anfang gab. Du schriebst, dass er dir verschwiegen hat, dass er Autist ist. Hast du ihn mal gefragt warum? Vielleicht war ihm das einfach nicht wichtig? Oder er hatte Angst, dass es für dich ein Grund wäre erst gar keine Beziehung mit ihm einzugehen? Es gibt ja immer Dinge, die man zu Anfang einer Beziehung nicht unbedingt erzählt. Manchmal, weil man damit schlechte Erfahrungen gemacht hat. Man füllt ja zu Anfang einer Beziehung keinen Steckbrief aus. Manche Dinge ergeben sich, durch die Gespräche, erst im Laufe der Zeit. Ich könnte mir z.B. auch gut vorstellen, dass er erst eine emotionale Bindung aufbauen wollte und dann von seinem Autismus erzählen wollte. Aber das sind nur Vermutungen. Stell dir vor du hättest eine Störung, oder Gendefekt oder irgendwas anderes...wann wäre dein Zeitpunkt es zu erzählen? Beim ersten Date? Und wenn es schon ein paar mal deswegen zu keinem zweiten gekommen wäre, würdest du bei deiner Strategie bleiben?
Missverständnisse resultieren ganz oft auch aus unterschiedlichen Wertesystemen heraus. Da wird die gleiche, gemeinsam erlebte Situation ganz unterschiedlich bewertet. Z.B. hat sich mal eine Bekannte bei mir "beschwert", dass ihr Freund ihr nie Blumen schenkt. Ich hab sie gefragt wann sie ihm denn zuletzt welche geschenkt hat, da hat sie mich ziemlich verstört angesehen... Sie hat von ihm erwartet, dass er ihr Blumen schenkt, weil das in ihrem Wertesystem zu einem "guten" Freund gehört das zu tun. Ich kannte ihn und wusste dass er Schnittblumen für hochgezüchteten Sondermüll hält...und sich seine Liebesbekundungen auf andere Art äußerten, die sie kaum wahrgenommen hat, die aber zahlreich vorhanden waren. Erst Gespräche über diese Wertesysteme an sich führten zu einer glücklicheren Beziehung. Er hat z.B. auf meinen Rat hin ganz viele Blumen fotografiert, die auf gemeinsamen Lebeswegen/ Orten wuchsen, diese Bilder gerahmt und an eine Wand im Wohnzimmer gehängt, dazu steht dort jetzt der Spruch: "Ich hab dir diese Blumen nicht gepflückt - Ich schenke dir ihr Leben" Damit konnten beide mehr als gut leben ;-)
Was ich damit sagen will, ist, dass wenn man den wahren Ursachen dieser Missverständnisse auf den Grund kommt, sich auch scheinbar schwierigste Konflickte durchaus lösen lassen. Vielleicht nicht immer auf die konventionellste Art. Aber das macht ja nichts.
In deinem Fall ist es so, dass er ja genau weiß, dass er dich zurück haben könnte. Du bist immer da und verfügbar. Vielleicht hat er insofern keine Angst dich zu verlieren und weniger einen Grund zurück zu kommen? Verstehst du wie ich das meine? Das ist natürlich blöd...Eine Patentlösung dafür habe ich auch nicht. Vielleicht kommt er eher zurück wenn er seine Felle schwimmen sieht? Vielleicht hätte er Angst, dass du jemand neuen kennenlernen könntest, wenn er wüsste dass du wieder mehr raus gehst? Ob das funktioniert kann ich dir aber nicht sagen.
Und nochmal zum Autismus. Wie gesagt ich kenne zwei Leute real mit Asperger und noch jemanden übers Internet. Schon die zwei Leute die ich real kenne (die Bekannte seh ich ca. ein bis zwei mal im Monat) und der Freund von mir, sind sehr unterschiedlich. Emotionen zeigen können beide. Sogar manchmal sehr überschwänglich. Aber was sie beide nicht können sind Emotionen bei anderen richtig lesen und deuten und sich dann dementsprechend verhalten. Ironie oder Sakasmus verstehen beide kaum. Manchmal gibt es so Momente da möchte ich ein Thema für mich abhaken. Bei nicht Autisten genügt ein Blick, der sagt: "Du darüber möchte ich jetzt nicht reden." oder "lass gut sein jetzt, es reicht, ich möchte diese Witze nicht weiter hören, das ist nicht lustig!" - Bei denen funktioniert das nicht. Beide quatschen gerne und lange... und manchmal schwirrt mir so der Kopf, dass mich diese Gespräche regelrecht erschöpfen. Autismus ist eine Wahrnehmungsstörung. Ich würde dir raten mal Buntschatten und Fledermäuse von Axel Brauns zu lesen, ein Buch eines Autisten, dass dich wunderbar in diese andere Realität entführt und zeigt wie subjektiv Situationen erlebt werden.
Wie oft hast du denn noch Kontakt zu deinem Freund? Und wie äußert sich dieser? Unternehmt ihr noch was zusammen? Trefft ihr euch bei ihm, oder bei dir zu hause? Läuft da noch was jenseits der Beziehungsebene? Freundschaft?
LG,
Spider